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Sep 01 2012

Ostern 1963

Die nachfolgen Erinnerungen stammen aus der Festschrift von 1998 zum 75-jährigen Bestehen der Klaus-Harms-Schule. Aufgeschrieben hat sie

Oberstudienrat Dieter Rackow

* 26.11.1934
Klaus-Harms-Schule: 1963-1997
Fächer: Mathematik, Chemie und Photo-AG


Ostern 1963 – Schuljahresanfang

Klaus-Harms-Schule – Dieter Rackow bei seiner Verabschiedung (1997)

Ich fuhr mit dem Motorrad vor, ein, wie ich später erfuhr, unerhörtes Ereignis. Hatte es doch bis dahin nur eine Kollegin zum Auto gebracht: VW mit geteiltem Heckfenster.

Ich stand in der Kirchstraße vor einem großen roten Backsteingebäude. Steinerne Stufen führten hinauf zum eichenen Portal. Der erste Tag als frischgebackener Studienassessor bei Klaus Harms. Es hatte großer Überzeugungskraft in Kiel und beim Seminarleiter bedurft, diesen Wunsch gegen alle Begehrlichkeiten anderer Schulen durchzusetzen. Mathematiklehrer waren eine heiß begehrte Ware. In meinem Falle gaben Familienbande in Form einer in Kopperby unterrichtenden Junglehrerin den Ausschlag.

Das Lehrerzimmer gleich hinter dem Haupteingang links. An einem langen Tisch in der Mitte saßen etwa 20 Kolleginnen und Kollegen, geballte pädagogische Erfahrung mit erwartungsvollem Blick. Ein altmodisches blaues Sofa an der Stirnseite war unbesetzt. Direktor Lassen stellte mich jedem einzeln vor, manövrierte mich auf „meinen“ Stuhl und ersparte mir so einen schweren Fehler: mich auf das Sofa zu setzen.

Dies stand nur erlauchten Personen zu. Dieser erste Schultag begann, wie dann jede neue Woche, mit einer Morgenandacht in der Aula, gemeinsam mit der Ober- und Mittelstufe. Vorstellung des neuen Kollegen. Erwartungsvolle Blicke von beiden Seiten.

Die Sonntage nach Schulbeginn: Da ist der neue Kollege zur Besuchszeit zwischen 11 und 12 mit Ehefrau auf Achse. Viele ältere Kollegen und deren Frauen erwarten die private Vorstellung. „Antrittsbesuche“. 20 Minuten gegenseitiges Mustern, Sherry, Einladungen zum Kegelclub, Volleyball, Kaffeekränzchen… Einige Kollegen hatten vorher abgewinkt. Hinter vorgehaltener Hand: „Gehen Sie aber auf alle Fälle zum Kollegen XY“ So war alles an vier Sonntagen geschafft. Steif? Spießig? Vielleicht, aber in dem damals kleinen Kollegium eine gute Möglichkeit, auch die Ehefrauen enger in das Schulleben einzubinden. Ein Wechsel im Kollegium war damals eine Seltenheit. Das neue Mitglied sollte möglichst schnell integriert und in den Block hineingezogen werden. Das Fernbleiben des Ehepartners beim Kollegiumsausflug bedurfte schon triftiger Gründe.

Meine Klasse, eine Untersekunda. „Da muß mal Ordnung ‚rein. Die Klasse ist ziemlich verwildert“. Das war die direktoriale Kurzbeschreibung. Ich tat mein Bestes. Heute würde ich es anders machen. Die Schüler meiner damaligen Klasse sind heute alle jenseits der 50, und wir haben den aufgrund der direktorialen Bemerkung holperigen Anfang längst aufgearbeitet. Aber die 68er Jahre waren noch weit. Bevor „junge“ Bestrebungen sich Bahn brechen konnten, bedurfte es einiger Verbündeter. Sie kamen wenig später mit Reinhard Wendt, Werner Blieske und Friedhelm Steinmetz.

Kollegen-Sport! Die Fläche der Sporthalle reichte nur knapp für ein Volleyballfeld. In dieser Halle mußte außerdem noch ein Teil der Geräte untergebracht werden. Die Bänke standen auf der einen Seitenauslinie, Barren an einer Stirnseite, an der anderen Seitenauslinie waren lange Rippenheizkörper an der Wand. Wir hatten viel Spaß und nie einen Unfall, und die Spielweise hatte auch mit Volleyball eine gewisse Ähnlichkeit.

Kulturelle Ereignisse waren Schulfeste mit Theateraufführungen, Vorträgen der Universitätsgesellschaft und „Griffelkunst“-Ausstellungen, mit denen die Schule über Direktor Lassen immer eng verbunden war. Gerne denken meine Frau und ich an die langen Abende zurück, die wir im Anschluß an die Vorträge in den Privaträumen des Direktors, die sich damals noch im Schulgebäude befanden, zusammen mit den Professoren diskutierend bei einem Glas Wein verbrachten. (Die Dienstwohnung des Direktors wurde später zum Lehrerzimmer und Sekretariat und zur Lehrerbücherei umfunktioniert.)

Vom Unterricht. In Kappein haben sich die Klassenfrequenzen immer in Grenzen gehalten. Hatte ich während meines Referendariats noch Klassen mit etwa 40 Schülern zu unterrichten (Rekord: 48 Schüler in einer 8. Klasse), waren es hier etwa 35. Aber die Fachraumsituation! Z. B. der Chemieraum: Chemikalien in offenen Holzregalen, Dielenfußboden mit breiten Ritzen, Holztische, immerhin mit Gasanschluß (das hatte ich in den Baracken in Büsum und Satrup nicht!), eine handgeschmiedete Schalttafel und ein nachträglich eingebauter „Abzug“, der allerdings die chemischen Dünste nur in den Biologieraum umschichtete. Immerhin haben wir in diesem Raum später auch Leistungskurse abgehalten und trotz der Abzugmisere fleißig experimentiert. Schließlich hatte man Fenster, die sich öffnen ließen (im Gegensatz zu heute). Es gab zwar keine Schutzbrillen, Gummihandschuhe oder Schulkittel, dafür aber reichlich Schutzengel bzw. Schüler, die gegebene Experimentieranleitungen und Warnhinweise strikt befolgten.

Die hier beschriebenen Szenen beleuchten eine Schule, die sich seit den 30er Jahren wenig verändert hatte. Die großen inneren und äußeren Reformen begannen mit den 68ern, als es in der Kulturlandschaft zu brodeln begann, jeder an alten Zöpfen schnitt, und die Schule sich auf den Weg der permanenten Reform begab. So haben wir nun heute „Klaus Harms“ ohne alten Zopf, dafür mit vielen kleinen neuen.

Dieter Rackow

1 Kommentar

  1. Manfred Rakoschek

    schön, auch mal diese seite zu hören.
    für mich war der frische positiv gestimmte lehrer durch foto-ag, kooperation und mit achim gemeinsam genutztem schlüssel zum fotolabor ein segen.
    auch die kollegen-frischlinge kamen bei mir gut an, ohne die gestandenen eichen herabzusetzen.
    vorlieben und abneigungen hatte ich natürlich auch . . .
    mani

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