Zurück in die Sechziger und rauf auf’s Rad für eine kurze Fahrt „über Land“ – heute müssten wir Kappeln nicht mal mehr verlassen!
Diese nicht ganz leichte Aufgabe wurde richtig gelöst von Ulli Erichsen, Heino Küster, Claus Poppenhusen, Ingwer Hansen, Runa Borkenstein und Hartmut Hein. Die Lösung lautet:
Gut Roest
Zufällig haben Reinhard Richter und Heino Küster in den Sechzigern fast zeitgleich das Gut Roest fotografiert.
Das Gut Roest
Das Gut Roest – eines der ältesten und größten Güter in Angeln – ist eng mit der Geschichte Kappelns verbunden.
Ursprünglich gehörte das Land, auf dem sich um die erste Kapelle herum viele Fischer, Schiffer und Handwerker ansiedelten, der Kirche. Die Bewohner entrichteten eine jährliche Grundsteuer und unterstanden in kirchlicher wie auch bürgerlich-rechtlicher Hinsicht dem Bischof, später dessen Rechtsnachfolger, dem Domkapitel in Schleswig.
Diese wertvollen Besitzungen und Rechte der Kirche erweckten früh den Neid der Besitzer des benachbarten Gutes Roest. Schon im 14. Jahrhundert hatte ein Gutsherr den Besitz der Kirche mit Gewalt an sich gebracht, wurde aber gezwungen, sie samt Schuldeingeständnis und Verzichtserklärung 1357 wieder auszuliefern.
Trotzdem betrachteten sich von da ab alle weiteren Gutsherren von Roest offenbar als die Herren von Kappeln. Als Syvert Splieth 1499 das Gut mit allem Inventar an Schack Rumohr verkaufte, war im Kaufvertrag auch „dat Dorp to Cappel“ mit aufgeführt. Dessen Sohn, Hennecke Rumohr, gelang es dann, Kappeln der Kirche abzukaufen, indem er mit dem Kirchherrn zu Kappeln, Hinrich Pogwisch, einen entsprechenden Kaufvertrag abschloss. Eigentlich war dieser Vertrag rechtswidrig, weil Pogwisch nicht der Eigentümer des Kirchengutes war. Trotzdem erlangte der Kontrakt zunächst Gültigkeit, da der letzte Bischof von Schleswig, Gottschalk von Ahlefeld, ihn nachträglich unterschrieb, was wiederum andere Mitglieder des Domkapitels aufbrachte. Auf ihr Bitten erklärte der Herzog, der spätere König Christian III., den Verkauf für ungültig und forderte zugleich die Kappler auf, Hennecke Rumohr den Gehorsam zu verweigern.
Wohl aus Furcht vor Feinseligkeiten und Gewaltakten räumten Kirchherr und Domkapitel dann Hennecke Rumohr freiwillig Rechte ein, auf die er eigentlich keine Ansprüche hatte: Gerichtsbarkeit, Abgabenerhebung und wirtschaftliche Nutzung wurden gleichberechtigt untereinander aufgeteilt. Statt der erhofften Besänftigung der Rumohrs wurden durch diesen Akt aber nur erneute Begehrlichkeiten geweckt und die Nachfolger von Hennecke Rumohr scherten sich nicht mehr um die Ungültigkeit des Kaufvertrags. Schon dessen Sohn, Asmus Rumohr, fühlte sich als Alleinherrscher über Kappeln und riss die gesamte Gerichtsbarkeit sowie die bürgerliche – später auch die kirchliche – Oberhoheit über Kappeln an sich.
Danach wurde zwischen den Rumohrs und dem Schleswiger Domkapitel mehr als 200 Jahre über die Rechtmäßigkeit der Inbesitznahme Kappelns gerichtlich gestritten, bis der Prozess nach Diebstahl, Unterschlagung und Vernichtung belastender Dokumente, Einschüchterung, Erpressung und Ermordung wichtiger Zeugen und endloser juristisch kalkulierter Verschleppung schließlich erstarb.
Ging es bei diesem Streit hauptsächlich um Güter und Rechte, ging es für die Bewohner Kappelns besonders auch um ihre persönliche Freiheit. Während der Nachfolger von Asmus Rumohr, Kai Rumohr, seine Untertanen und die Kappler noch milde behandelte, war dessen Sohn, Hinrich Rumohr, eher vom Schlage des Großvaters. Unter ihm spielten sich nicht nur die die martialischen Hexenprozesse und -verbrennungen auf Gut Roest ab – er war es auch, der den Kapplern den Huldigungseid abverlangte, um sie zu Leibeigenen zu machen. Um sie dazu zu zwingen, ließ er keine Grausamkeit aus: Willkür, Gefängnis und Folter waren an der Tagesordnung, bis der König 1630 diesem Treiben unter schwerer Strafandrohung Einhalt gebot.
Zwanzig Jahre später unternahm Hinrich Rumohr den nächsten Versuch, die Kappler „freiwillig“ ihre Treue bekunden zu lassen. Zwar war das formal kein Huldigungseid mehr, aber das Misstrauen gegenüber den Herren von Gut Roest war inzwischen so groß, dass die Kappler ihre Unterschrift verweigerten. Als dann 1666 Detlef Rumohr die Güter übernahm, verlangte er erneut von allen Kapplern einen Treueschwur, mit dem sie sich ihm auf Gnade und Ungnade ausgeliefert hätten. Wiederum wurde Rumohr unter Strafandrohung untersagt, den Eid einzufordern. Viele Kappler waren jetzt aber trotzdem nicht mehr bereit, sich diesen sich immer wiederholenden Unterdrückungsversuchen auszusetzen, und begannen damit, einen schon lange gehegten Plan in die Tat umzusetzen: Sie wanderten aus.
Herzog Christian Albrecht, der damals regierende Landesherr, war auch Schutzherr des Domkapitels, dem Grödersby und die dazu gehörige Insel Arnis angehörten. Er überließ den freiheitsliebenden Kapplern Arnis einschließlich besonderer Privilegien. Am 11. Mai 1667 begannen 64 Familien – mehr als ein Drittel der damals etwa 750 Einwohner Kappelns – mit ihrer Umsiedlung nach Arnis.
Die Rumohrs herrschten über Kappeln, bis Hans Adolph von Rumohr 1797 das Gut Roest zusammen mit Kappeln an den Landgrafen Karl von Hessen verkaufte, der zwei Jahre darauf die Leibeigenschaft endgültig aufhob.
aus meinem Heimatkundeheft von 1958 (Klasse 3a)
Nach all diesen schaurigen Geschichten hier noch ein paar stimmungsvolle Impressionen vom heutigen Gestüt Gut Roest im Nebel, für uns eingefangen von Michaela Bielke.
37 Kommentare
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Holger Petersen
19. Dezember 2012 um 16:49 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Fehlt nur noch, dass Klaus Kinski und Eddi Arent um die Ecke grinsen. Aber die beiden und andere kann man sich ja hinzu fantasieren…
Heino Küster
19. Dezember 2012 um 16:55 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Oder RoNa mit heutigem Gesichtsausdruck ;-)
Holger Petersen
19. Dezember 2012 um 17:19 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
PSSSST!
Heino Küster
19. Dezember 2012 um 16:34 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Super schöne Fotos, Michaela, danke für den Lokalreporter-Einsatz!
Ulli Erichsen
19. Dezember 2012 um 10:44 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Wirklich schöne Fotos von Michaela. Jede Jahreszeit hat doch ihren besonderen Reiz. Die Roester Sagen sind mir immer gegenwärtig, wenn ich nach Kappeln fahre und die verbliebenen 5 Hexenbäume sehe. Haben sich wegen ihrer Grausamkeit tief eingeprägt.
Hartmut Stäcker
20. Dezember 2012 um 15:18 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Zwei Geschichten sind mir in Erinnerung geblieben:
1. Einer der damaligen Rumohrs besuchte die Gottesdienste in der Borener Kirche, hatte seinen Platz in der Loge neben der Orgel. Seinen Hut hängte er auf einen Pfahl vor der Kirchtür. Die Bürger hatten sich erst vor dem Hut zu verbeugen, dann vor dem Herrn Rumohr. Eines Tages war der Pfahl umgetreten und der Hut verschwunden. Herr Rumohr soll sich grausam gerächt haben.
In einer Wand im Altarraum befand sich eine Öffnung. Hexen, die verbrannt werden sollten, durften hier von außen dem, ihren letzten, Gottesdienst beiwohnen.
2. Es hieß damals, wenn einer der 6 Bäume am Gut gefällt würden, sollte der Gutshof abbrennen. Tatsächlich hat es einmal, als Hand an einen Baum gelegt wurde, auf Roest gebrannt.
Ulli Erichsen
20. Dezember 2012 um 16:03 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Die erste Geschichte kannte ich noch nicht.
Danke. Ist ja schon wie damals im Heimatkundeunterricht.
Manfred Rakoschek
18. Dezember 2012 um 19:39 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
moinmoin,
(endlich) mal wieder ein beitrag mit substanz über unser aller kulturgut. die arbeit, die im machen steckt, ahnen und vermeiden wir, deine genießenden kollegen.
danke !
Hartmut Hein
18. Dezember 2012 um 06:12 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Gut Roest
Runa Borkenstein
17. Dezember 2012 um 19:47 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Gut Roest
Ingwer Hansen
17. Dezember 2012 um 19:09 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Das ist wieder so ein Ding. Viel Spaß bei Achim, „Verzweiflung“ bei uns!
Ich tippe auf Gut Roest.
Wolfgang Jensen
17. Dezember 2012 um 19:05 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Loitmark
Wolfgang Jensen
17. Dezember 2012 um 18:31 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Das könnte der alter Meierhof Dothmark sein.
Hartmut Stäcker
17. Dezember 2012 um 18:50 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Wolfgang, oben steht „über Land“, und nicht „über die Straße“.
Wolfgang Jensen
17. Dezember 2012 um 19:02 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Wenn jetzt noch der Satz kommt „Wer lesen kann, ist …!“ :wink: Du musst bedenken, weite Teile Dothmarks waren damals noch nicht bebaut und für so’n „lütten Steppke“ wie dem kleinen Achim war das schon eine „kurze Fahrt über Land“.
Ingwer Hansen
17. Dezember 2012 um 19:15 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Nur gehörte Dothmark auch früher bereits zu Kappeln.
Wo war denn in den 60er Jahren ein Meierhof auf Dothmark?
Rolf Nagel
17. Dezember 2012 um 19:27 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Auch ich habe -von 1952-1968 auf Dothmark lebend – niemals etwas von einem „Meierhof Dothmark“ gehört oder gesehen….(?) Evtl. habe ich etwas verpasst ?
Hartmut Stäcker
17. Dezember 2012 um 20:06 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Laut Internet ist der Dothmarker Meierhof schon 1907 abgebrannt.
Und hier wird unter „Holzschiffbau“ erwähnt, dass auf dem Meierhofgelände später eine Werft entstand.
Heino Küster
17. Dezember 2012 um 19:19 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
:idea: Wieso eigentlich Achim? Achim stand da evtl. schon kurz vor dem Abi… ;-)
Hartmut Stäcker
17. Dezember 2012 um 19:40 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Oh sorry, Wolfgang, das hab ich nicht bedacht! Dann sagten die Dothmarker sicher auch nicht: „Ich fahre mal eben in die Innenstadt“, sondern: „Ich fahre nach Kappeln“.
Wolfgang Jensen
17. Dezember 2012 um 19:56 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ach Mensch, Ihr seid alle doof! :oops: :cry: Hab‘ mich vertan, als ich ein altes Foto im 650-Jahre-Kappeln-Buch gesehen habe, das Ähnlichkeit mit dem Kappuzzle-Foto hat. Das war von 1900. Wegen der 60 Jahre Differenz stellt Ihr Euch aber wirklich an. :wink:
Sabine Brunckhorst-Klein
17. Dezember 2012 um 18:10 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
irgendwo in ellenberg, nicht irgendwo in afrika
Runa Borkenstein
17. Dezember 2012 um 18:06 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Norden Süden Osten Westen
wohin wenden ist am besten?
Süden Osten Westen Norden
wohin fuhren Achims Horden?
Osten Westen Norden Süden
Schwansen scheint schon ausgeschieden!
Westen Norden Süden Osten
kann ein Tipp die Ehre kosten???
Heino Küster
17. Dezember 2012 um 19:24 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Im Norden, Osten und Süden
wirst Du wohl schnell ermüden ;-)
Ingwer Hansen
17. Dezember 2012 um 19:38 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Was is mit Westnnnn?
Heino Küster
17. Dezember 2012 um 20:10 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
You’ve got it ;-)
Ulli Erichsen
17. Dezember 2012 um 20:36 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Im Westen nichts Neues, eher Altes.
Hartmut Stäcker
17. Dezember 2012 um 17:47 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Bauernhof Andresen, Grimsnis
Hartmut Stäcker
17. Dezember 2012 um 17:56 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Na, dann eben Kopperby, Hof Röhling!
Claus Poppenhusen
17. Dezember 2012 um 15:24 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Gut Roest
Heino Küster
17. Dezember 2012 um 12:30 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Roest
Ulli Erichsen
17. Dezember 2012 um 10:54 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Na klar, Roest
Ulli Erichsen
17. Dezember 2012 um 10:53 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Olpenitz
Ulli Erichsen
17. Dezember 2012 um 10:53 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Weidefeld
Manfred Rakoschek
17. Dezember 2012 um 08:17 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
gibt’s das denn noch?
wenn nicht ziegelei ancker
tippe ich auf ellenberg
Manfred Rakoschek
17. Dezember 2012 um 08:19 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
und wenn also dies NICHT
dann ein gutshof mit beschirmtem schornstein
Manfred Rakoschek
17. Dezember 2012 um 08:24 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
riecht wer den braten?
ich kann nur raten
wassermühlenholz
das rechte gebäude
macht bitte WEM freude?
und ist wessen ganzer stolz?