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Jun 14 2015

Magdalena Hinrichsen – Erinnerungen (8)


Großvaters letzte Seefahrt

Als unser Großvater in Kappeln starb, hat unser Vater darauf bestanden, daß dem alten Seemann der letzte Weg übers Wasser ermöglicht wurde. Ein Schifferboot wurde gemietet, Großvaters Sarg mit den Kränzen hinaufgetragen und wir Familie fuhren alle diese Strecke von Kappeln nach Arnis mit. An der Brücke in Arnis wurden wir von Familie und Freunden empfangen und dann bewegte sich der Zug durch den Ort bis zur kleinen Schifferkirche, wo die Abschiedsfeier war.

Zwanzig Jahre später haben wir genauso unserm Vater diese letzte Reise übers Wasser von Kappeln nach Arnis ermöglicht, damals unter schwierigen Umständen, mitten im Krieg, 1943.

Grab von Georg und Bertha Thomsen in Arnis - Foto: Michaela Bielke (14.06.2015)Grab von Georg und Bertha Thomsen in Arnis - Foto: Michaela Bielke (14.06.2015)

In Arnis hatte ja Vaters Wiege gestanden, diese besonderen Umstände muß ich kurz erzählen: das damalige Haus unsrer Großeltern lag näher zum Wasser als das letzte, das wir erlebt haben. Als Vater im Oktober 1872 geboren wurde, war soviel Hochwasser, daß die Schlei weit über die Ufer trat und die nächstliegenden Häuser überflutete.

Unsere Arnis - Flutmarke 1872 - Foto: Holger Petersen (2014)Großmutter, die Wöchnerin, wurde hinaufgebracht in ein höher gelegenes Haus und unser Vater in der Wiege hinterher. Tante Frieda in Arnis hat mir diese Geschichte erzählt, ich hoffe, daß sie wahr ist und auch das, daß die Verwandten meinten, Vater hätte eigentlich Mose heißen müssen. Zum Glück ist das nicht geschehen, aber die Wiege hat wirklich im Wasser gestanden. Wer es mir nicht glauben will, sehe sich in Arnis am sogenannten Efeuhaus die Eisentafel an, die den höchsten Wasserstand, eben den vom Jahre 1872 angibt. Von Vaters Geburt und der Wiege im Wasser steht leider nichts drauf!


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