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Dez 09 2011

Schulsystem bis 1963

Klaus-Harms-SchuleROTSTIFT Nr. 10 (Weihnachten 1963)

In den letzten Jahren wird der Ruf nach Schulfrieden, also der Beendigung ständig neuer Schulreformen in Schleswig-Holstein immer lauter. Es ist ein sehnlicher Wunsch von Schülern, Eltern und Lehrern, in den Schulen wieder zu einer produktiven Ruhe zu finden, ohne ständig neue Einfllussnahme und Verunsicherung von außen durch die Politik.

Wenn man sich den nachfolgenden Artikel aus dem ROTSTIFT Nr. 10 von Weihnachten 1963 anschaut, wird man erstaunt feststellen, dass es vergleichbare „Reform“-Zustände in unserem Land anscheinend schon immer gegeben hat.

Die Änderung in unserem Schulsystem

Klaus-Harms-Schule - Oberstudienrat Reinhardt

von Oberstudienrat Reinhardt

»Die Klaus-Harms-Schule war ursprünglich eine Aufbauschule. Die unterste Klasse war die Quarta, die oberste die Unterprima. An deren Ende wurde die Reifeprüfung abgelegt. Seit Ostern 1946 wurde diese Schule grundständig, d. h. sie begann mit der Sexta.

Seit Ostern 1948 gab es wieder die Oberprima, und zwar erstmalig gegabelt in einen sprachlichen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Teil, damals eine leidenschaftlich erstrittene Neuerung.

Als in dieser Zeit eine andere Partei den Ministerpräsidenten in Kiel stellte, beschloß der Landtag die sechsjährige Grundschule. Wir bekamen von 1948-1950 keine Sexten. Der nächste Landtag stellte den alten Zustand wieder her. 1951 fanden Aufnahmeprüfungen für Sexta, Quinta und Quarta statt. Seit Ostern 1950 wurde ab OIII gegabelt, wie es auch jetzt wieder ist.

Diese Regelung wurde nach ein paar Jahren abgeschafft, die Gabelung erfolgte ab OII. Der Grund war dis Befürchtung, Tertianer seien zu jung, um erkennen zu können, in welchem Zweig sie am besten aufgehoben seien. Übrigens ist dem Verfasser dieses Artikels kein Schüler bekannt, dem damals eine unzweckmäßige Entscheidung zum Verhängnis geworden ist.

Seit Ostern 1961 haben wir wieder die Gabelung in OIII. Die Gründe liegen diesmal tiefer. Bisher hatte jedes Land im Bundesgebiet sein eigenes Schulsystem. Das war schlimm für die Kinder, die mit ihren Eltern den Ort wechseln mußten. Man ist also um eine Vereinheitlichung des Schulwesens im Bundesgebiet bemüht.

Dazu kommt die Tendenz, die Anzahl der Fächer zu vermindern und aus mehreren Einzelfächern ein neues umfassendes Fach zu machen. Dieses betrifft die Fächer Geschichte, Gegenwartskunde und Erdkunde, aus denen sich das Fach „Gemeinschaftskunde“ bilden soll, jedenfalls in den Primen. Diese Maßnahme kann i. a. nur an solchen Gymnasien durchgeführt werden, die über Lehrkräfte mit den Lehrbefähigungen Geschichte und Erdkunde verfügen.

Lehrer mit dieser Fachkombination hat die Klaus-Harms-Schule nicht. Von den etwa 300 Studienräten in unserem Lande, die Geschichte studiert haben, haben etwa 70 auch Lehrbefähigung für Erdkunde, aber von den 100 jüngsten Studienräten mit Geschichte als Fach vertreten nur 11 auch das Fach Erdkunde. Hier liegen vorerst Schwierigkeiten. Bei uns übernimmt die Gegenwartskunde entweder der Geschichts- oder der Erdkundelehrer.

Eine weitere Neuerung betrifft die zweite Fremdsprache, die in Quarta beginnt, aber nun nach 5 Jahren am Ende der OII aufhört. Die Lateiner können das Große Latinum erhalten. Die Schüler des sprachlichen Zweiges erhalten ab OIII eine dritte Fremdsprache, die 5 Jahre lang, also bis zur Reifeprüfung betrieben wird. Die zweite Fremdsprache kann auch in der Prima als Wahlpflichtfach betrieben werden, wenn sich genügend Schüler dazu bereit finden.

Im sprachlichen Zweig hören die Naturwissenschaften als Pflichtfächer am Ende der OII auf. Dies erscheint bedauerlich in einem Zeitalter, in dem sich diese Wissenschaften in so starkem Maße entwickelt haben. Auf Kosten der Physik hat die Mathematik in UIs jetzt 5 Wochenstunden. Im Hinblick auf das Vorabitur mag diese Änderung günstig erscheinen. Ob sie es wirklich ist, sei dahingestellt.

Etwas überraschend kam eben vor Ostern 1963 die Verfügung, daß auch im mathematischen Zweig die Fächer Chemie und Biologie in den Primen nicht mehr als Pflichtfächer bestehen. Dagegen sind die Stundenzahlen in Physik vermehrt worden. Eine der Naturwissenschaften, die am Ende der OII als Pflichtfächer aufhören, kann sowohl im sprachlichen wie im mathematischen Zweig als Wahlpflichtfach mit 3 Wochenstunden bis zur Reifeprüfung betrieben werden. Wahlpflichtfächer sind Prüfungsfächer in der Reifeprüfung.

In großen Gymnasien, in denen mehrere Primen parallel laufen, können als Wahlpflichtfächer Französisch, Lateinisch, Biologie, Chemie und im sprachlichen Zweig auch Physik angeboten werden. Die meisten dieser Angebote werden ausführlich sein, da genügend Schüler vorhanden sind. An unserer kleinen Schule haben sich in diesem Jahr beide Unterprimen (s + m) für Biologie entschieden. In UI und OI können die Schüler an einer 2stündigen Arbeitsgemeinschaft teilnehmen. Über deren Themen bestehen keine so engen Vorschriften wie bei den Wahlpflichtfächern. Es existieren z. Zt. bei uns Arbeitsgemeinschaften in Deutsch, Physik, Erdkunde und Spanisch.

Im Rahmen der Zusammenlegung von Fächern wurde vor einiger Zeit das Fach „Naturwissenschaften“ (Physik + Chemie + Biologie) heftig diskutiert. In Schleswig-Holstein gibt es z. Zt. etwa 30 Studienräte, die alle 3 Naturwissenschaften studiert haben. Die meisten gehören aber der älteren Generation an. Es dürften sich auch in Zukunft nur wenige finden, die alle 3 Fächer als Hauptfächer betreiben, zumal die Anforderungen der Universitäten heute recht hoch sind. Ein Physikstudium ist heute ohne etliche Semester Mathematik nicht möglich.«