Magdalena Hinrichsen
Im Schulhaus zu Kappeln
Erinnerungen aus meinen Kindertagen
Der Umzug nach Kappeln
Meine persönliche Erinnerung fängt mit dem Schulhaus in Kappeln an, und dort liegt für uns alle, uns acht Geschwister Thomsen, der Reichtum der Kinderzeit. Wir sind zwar alle, bis auf Trudel, in Rendsburg geboren, wo unser Vater Lehrer war, aber als ich ein Jahr alt war, zogen wir nach Kappeln.
Unser Vater hatte den Auftrag bekommen, dort als Volksschulrektor zugleich eine Mittelschule ins Leben zu rufen. Vater hatte seine Mittelschullehrerprüfung gemacht, baute nun Jahr um Jahr die Schule auf und wurde dann auch ihr Rektor. So war unser Vater Volksschul- und Mittelschulrektor in einer Person.
Den Umzug von Rendsburg nach Kappeln habe ich wohl im Kinderwagen erlebt. Auch ist mir die erste Wohnung nur durch Erzählen bekannt. An der Kirsebek gegenüber der Meierei wurde ein abgesetzter Stall eines Bauernhofes als Wohnung zurechtgemacht. Und dies war die erste Wohnung des neuen Rektors in Kappeln.
Der Umzug ins Schulhaus
Etwa drei Jahre später erfolgte der Umzug von der Kirsebek ins Schulhaus an der Reeperbahn. Auch dieser Umzug ist an meinem bewußten Erleben vorübergegangen, aber meine Schwester Berta erinnert noch sehr gut dies einschneidende Erlebnis. Die großen Brüder halfen den Männern beim Packen, die kleineren und Berta hatten ihren eigenen Möbelwagen, nämlich den Blockwagen, mit dem in vielen Fahrten Spielsachen und andere kleine Dinge transportiert wurden. Berta als Fünfjährige schob hinterher, das war sicher eine unübersehbare Hilfe.
Bei dieser Wohnung im Schulhaus fängt nun meine eigene Erinnerung an, und davon will ich erzählen. Was für eine Wohnung das war! Das ganze obere Stockwerk des Hauses gehörte zwar uns, aber nur im mittleren Trakt waren drei Wohnräume, Küche und Flur mit geraden Wänden. Alle anderen Räume in beiden Seitenflügeln hatten nur schräge Wände und waren mehr oder weniger Abseiten. So das große Schlafzimmer der Eltern am äußersten Ende des einen Flügels nach Süden. In diesem Teil waren auch die „Zimmer“ von uns drei Töchtern. Zwei hatten die sogenannte „Pappschachtel“ mit einem kleinen Fenster zum elterlichen Schlafzimmer, die dritte schlief in der sogenannten „Bücherkammer“, in der neben den Bücherborden und einem kleinen Tischchen, auf dem die Puppen saßen, noch eben Platz für ein Bett war. Dieses Refugium habe ich besonders geliebt. Die wirklich große Abseite in diesem Flügel barg neben Handwerkszeug und sonstigem „Kram“ all die Spielsachen von uns Mädels.
Der ganze Flügel war natürlich unbeheizbar, nur im Schlafzimmer der Eltern stand ein uralter eiserner Ofen, der fast nur zur Weihnachtszeit in Funktion trat. Er war nämlich gleichzeitig ein Backofen, und zum Weihnachtsabend wurde der Gänsebraten oder der Schweinebraten aus der eigenen Hausschlachtung darin gebraten. Er verbreitete herrliche Düfte durch die ganze Wohnung. Im mittleren Trakt, den Wohnräumen, spielte sich alles ruhige und gesittete Leben ab. Unseres Vaters Amtszimmer war für uns fast ein heiliger Raum, den wir nur mit Anklopfen betraten. Auf einem kleinen Ofen surrte stets ein Teekessel, und wir nebenan im Wohnzimmer sogen mit Verlangen die Düfte ein, wenn unsere Mutter dem schwerarbeitenden Vater einen Extrakaffee kochte, besonders abends, wenn wir ins Bett mußten.
5 Kommentare
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Runa Borkenstein
27. Mai 2015 um 11:15 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Beim Anblick des Familienfotos und Lesen von Magdalenas Erinnerungen (1)
gleitet im Hintergrund der Gedanke „Ja, so war das damals – lange vor unserer Zeit.“
In den Stunden nach der Lektüre läuft unvermittelt ein anderer Film ab:
ca. 60 Jahre später. 1960 bis 1971, das ist ja in unserer/meiner Zeit!
Lehrer sein, Schulen leiten: zwei gleichzeitig, manchmal „nur“ kommissarisch.
Im Schwansener Land: Karby, Winnemark/Sundsacker, Schuby, Börentwedt.
Zu der Zeit hatte ich keine Vorstellung, was das wohl konkret bedeutete.
(So als Kind und Tochter ist man ja noch anders in der Welt unterwegs.)
Konkret aber ist das Erlebnis -bis heute- wie das riecht.
Konkret auch die abenteuerliche Innenarchitektur der Schulhäuser/LehrerInnenwohnungen.
Meterhoher Kachelofen (grün), selbst zu betankende kleine Ölöfen…
Fensterausblicke auf Schulhof, Vordach mit Rattenfamilie, Sportplatz aber auch: Schlei.
Und drumherum immer: bunte grüne verwilderte Naturgärten.
Damals wahrgenommen als „notgedrungenes“ Ambiente.
Heute erkannt als unbewusstes Vorbild für die eigene Lebensgestaltung.
Wundersam-wunderbar auch die angelegten „Schulgärten“, wachsende lebendige Medien…
Umzüge, nicht mit Magdalenas Blockwagen
sondern mit Trecker und Hänger; von Winnemark nach Lüttfeld.
Wie sieht es nun wohl heutzutage, nochmals fast 60 Jahre später, aus?
Regina Blätz
28. Mai 2015 um 15:12 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ich glaube nicht, dass heute noch Lehrkräfte in Schulwohnungen wohnen. Eigentlich schade. Ich erinnere mich noch gut an Eure Wohnung in Winnemark. Deine Mutter wirbelte durch eine riesige Küche und in Deinem Zimmer musste man eine kleine Treppe hochsteigen.
Ich fand das toll.
Neue Schulgebäude sehen ja nicht mehr so gemütlich aus.
Ich freue mich.auf die nächste Folge und darauf wieder regelmäßig hier reinschauen zu können.
Sabine Brunckhorst-Klein
29. Mai 2015 um 17:59 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Da hast du uns ein Guckloch in deine Kindheit in Winnemark geöffnet, Runa.
Im Rückblick bekommen Kindheitserinnerungen oft diese Watteschicht, die so magisch wirkt, finde ich. Ich kenne die Winnemarker Schule und kann mir das alles gut vorstellen.
Ich erinnere gut, dass Lehrer auch noch einmal eine herausgehobene Position in der Sozialstruktur der Dörfer früher hatten.
Wolfgang Jensen
26. Mai 2015 um 18:55 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Toll, ich lese derartige Geschichten aus alten Zeiten unwahrscheinlich gerne. Vielen Dank dafür!
Gibt es das Büchlein käuflich zu erwerben? Wahrscheinlich nicht, nehme ich an.
Heino Küster
26. Mai 2015 um 19:14 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Ja, ich auch. Bin auf die Fortsetzung gespannt…