Manfred Rakoschek
Photosafari auf Hallig Hooge
Exkursion der Fortgeschrittenenfotogruppe am Jugendhof Scheersberg
nach Hallig Hooge Pfingsten 1968 unter der Leitung
von Werner Ohmsen, Wanderup, und Walter Schröder, Bremen,
an der mein Freund Joachim und ich teilnahmen.
~ Ein Brief in die Zukunft ~
Lieber Manfred,
eben habe ich den Bericht über meinen Pfingstaufenthalt auf HalIig Hooge beendet.
Ich habe etliche Stunden darauf verwandt, aber es tut mir nicht leid darum, denn ich konnte so richtig in Erinnerung schwelgen. Ich weiß nicht, ob Du dem Text und den Bildern soviel entnimmst wie ich jetzt noch, aber Du wirst mir sicher zustimmen, wenn ich sage, daß man seine Ferien oder seinen Urlaub auf keine Art und Weise besser verbringen kann.
Erinnerst Du Dich noch an den Geruch des Schlicks und den Duft der Wiesen, an die Bläue des Himmels und den glutroten Feuerball am Abendhimmel, an die warmen Strahlen der Sonne, wenn man sich ins Gras legte, an den immerwährenden erfrischenden Wind, an das Raunen und Zischeln des Grases und den Schrei von Austernfischer und Rotschenkel, an das morgendliche Trillern der Lerche und das leise Lachen der Silbermöve?
Ich weiß nicht, ob Du inzwischen mal wieder dort warst, aber ich glaube, wenn Du noch keinen Urlaub dort verbracht hast, wirst Du das noch tun, ganz besonders, nachdem Du diese Mappe aus der Hand gelegt hast.
Kappeln, 26. August 1968
Manfred Rakoschek
Photosafari auf Hallig Hooge
Pfingsten Neunzehnhundertachtundsechzig
Wie es dazu kam? Nun, Joachim und ich sind begeisterte Photoamateure. Im Jahre 1967 hatten wir unter der Leitung von Werner Ohmsen und Walter Schröder an mehreren Wochenenden in Kiel, vom Landesjugendring schleswig-Holstein unterstützt, zusammen mit einigen anderen Amateuren die besten Bilder, die jeder zu dem Thema „Mensch und Technik – von der Kamera entdeckt“ geschossen hatte, im Format 50×60 vergrößert und aufgezogen, die dann am 3. Jugendgruppenleitertag des Landesjugendringes im Foyer des Kieler Schlosses gezeigt wurden.
Uns hatte es sehr viel Spaß gemacht, und als wir in der Zeitung davon lasen, daß Herr Ohmsen und Herr Schröder einen Ausflug der Photogruppe am Jugendhof Scheersberg nach Hallig Hooge zum Photographieren von Flora und besonders Fauna leiten würden, war es klar, daß wir mitfahren würden. Wir meldeten uns an und bekamen eine Einladung.
Am 31. Mai ging es sofort nach der Schule los. in Schlüttsiel, wo wir das Schiff bestiegen, freuten wir uns, als uns außer Herrn Ohmsen und Herrn Schröder ein paar andere Bekannte, die wir in Kiel kennengelernt hatten, begrüßten. Auf Hooge angekommen, begaben wir uns mit Sack und Pack zur Schullwarft, auf der wir wohnen würden, und nach dem Abendessen auf einen längeren Spaziergang auf dem Deich.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück begaben wir uns bei wunderschönem Sonnenschein zu zweit oder zu dritt auf Nestersuche, denn die zwei Austernfischergelege, die wir am ersten Abend gefunden hatten, würden uns kaum beschäftigen können. Es gab ja noch sehr viele andere Vogelarten. So entdeckten Herr Ohmsen und Herr Klettner auf wenigen Quadratmetern Muschelschalen dicht beisammen je ein Gelege vom Sand- (oder auch Halsband-) Regenpfeifer und der Zwergseeschwalbe.
Während wir auf den Wiesen nach Gelegen suchten, wurden wir in kurzen Abständen von laut schreienden Austernfischern und manchmal auch von Rotschenkeln angeflogen. Nachdem ich dann ein paarmal beinahe durch Austernfischergelege gelatscht war, konnte ich mit Sicherheit sagen, daß die wütenden Angriffe dieses Vogels (sie bestehen aus einem von lautem schreien begleiteten Anflug und scharfem Abbiegen vor dem Kopf des angegriffenen) in Lautstärke, Geschwindigkeit und Entfernung des abbiegenden (oder auch nicht) Vogels vom Kopf des Opfers indirekt proportional sind der Entfernung des Menschen vom Nest.
An den nächsten Tagen wurden weitere Nester gesucht (und gefunden: weitere Austernfischer-, Lerchen- und auch Flußseeschwalbengelege, leider aber nicht ein einziges Rotschenkelnest).
Bis auf uns beide Kappler fuhren die Photoamateure zur Vogelinsel Norderoog. Herr Schröder begab sich mit Kind und Kegel – PARDON: mit Frau, Sohn, Hasselberg und 400mm-Tele (das zuallerletzt in den Schlick fiel, wozu es eigentlich nicht gedacht war, aber fast nichts abbekam) auf die Seehundsjagd, und Frau Dr. Moritz und Fräulein Pissos trugen ihren botanischen Ambitionen Rechnung. Es tat uns allen leid, daß zu Anfang Herrn Klettner eine Kamera entzweiging. Er bekam aber eine geliehen und kam so doch noch zum Schuß.
Zum Schuß mit einem „dicken Tele“ kamen Joachim und ich, denn Herr Ohmsen lieh uns sein 240mm-Tele mit Kamera und Zweifachkonverter sowie Fotozelt. Wo ich gerade dabei bin: wenn ich auf Hooge überhaupt nichts gelernt, sondern nur meinen Spaß gehabt habe, es war mir bis dahin völlig unbekannt, daß in ein 1 x 1 x 1,5m großes Fotozelt drei (in Worten: 3) Personen passen, ohne daß es platzt, auseinander- (oder auch zusammen-) fällt und ohne daß die Vögel nicht wieder auf ihre Eier zurückkehren.
So ein Fotozelt ist sowieso eine feine Sache. Man kann es zum Beispiel mit etwas Geschick und Übung in fünf Minuten auf- und wieder abbauen, falls das notwendig ist. Aufbauen kann man es auf zwei verschiedene Arten, die eine (die Joachim und ich zu Anfang praktizierten) sieht vor, daß man das Zelt bei starkem Wind aufbaut, und zwar so, daß es herumflattert und laut knattert und daß eine Person sich dauernd im Zelt aufhalten muß, weil es sonst auf- (und davon-) fliegt. Die zweite (für Fortgeschrittene) sieht so aus, daß das Zelt bombenfest aufgebaut wird, damit die Vögel nicht vom Dienst am Nachwuchs abgehalten werden. Daß man außerdem bei dieser Gelegenheit die brütenden Vögel photographieren kann, war mir auch neu, daß es auch ohne Nest geht, bewies uns Herr Ohmsen, der sich einem sogenannten Knut photographierenderweise bis auf einen Meter näherte.
Abends setzten wir uns mal auf der Hanswarft, mal auf der Kirchwarft bei Teepunsch und Pharisäer zusammen. Obwohl wir nie vor zwölf in die Heia kamen, gelang es mir mit Joachims Hilfe, an einem Morgen weit vor vier Uhr aufzustehen. von meiner Wanderung über taunasse Wiesen kam ich dann mit einigen guten Bildern im Kasten zum Frühstück zurück.
Am darauffolgenden Morgen standen wir beide nach drei Stunden Schlaf um drei Uhr auf. Wir wollten eine Flußseeschwalbe, deren Nest wir tags zuvor entdeckt hatten, auf den Film bannen. Als wir losgingen, konnten wir noch nichts vom Wetter sehen, so dunkel war es noch. Optimistisch stellten wir unter dem wütenden Seeschwalbengeschrei das Zelt in Rekordzeit auf der triefenden Wiese auf. Im Zelt war es diesmal recht unbequem, denn eine Stunde auf den Hacken zu hocken, ist nicht jedermanns Sache. Schließlich aber wurde das Gras trocken.
Wir hatten mit 100 Aufnahmen auf Hooge gerechnet und entsprechend Film mitgenommen, aber jetzt, hinterher, kann ich sagen: 200 wären nicht zuviel gewesen. Man könnte wochenlang Tag für Tag hunderte von neuen Motiven entdecken, vom Sonnenuntergang bis zur Wandflechte auf den Steinen des Sommerdeiches, der die Insel schützt.
Auf der Hinfahrt begleiteten Möven unser Schiff, um ein paar Brotbrocken zu erhaschen.
Der wirkliche Grund: sie können in den Aufwinden hinter dem Schiff besser segeln.
Ein erster und ein zweiter Blick auf Hooge
Weithin nur Wiesen mit tiefem Gras zum Waten, rotgepunktet von Blümchen,
über allem blauer Himmel, in der Luft Austernfischergeschrei und Mövenlachen
Der große Priel bei Ebbe und die Kirchwarft
Windrippeln auf einem Priel und die auflaufende Flut
Steindämme zur Landgewinnung ziehen sich hinaus ins Watt.
Schilfinselchen, eben über das mittlere Hochwasser reichend
Morgensonne über der Warft und an der Ostseite der Hallig
Der morgendliche Wind und die Sonnenreflexe auf den Rippeln im Priel
spielen mit Gräsern und Halmen. Nicht nur salzhartes Gras ist hier zu finden,
auch Wegerich und die kleinen rosa Blumen, die hier alle Wiesen färben.
Heimkehr von der Jagd: Herr Ohmsen und Herr Klettner, Frau Dr. Moritz und Frln. Pissos
und Herrn Ohmsens Fotozelt
Auf der Pirsch
Herr Ohmsen
Diese kleine Lerche war vom Nest weggelaufen.
Im hohen Gras war sie sehr schwer zu entdecken und zu photographieren,
denn sie war sehr flink und gut getarnt.
Lerchennester auf den Wiesen findet man nur durch Zufall.
Zu den Austernfischergelegen auf den Wiesen führen kleine Pfade,
die Eltern laufen immer dieselben Wege zum Nest.
Die Austernfischergelege sind nicht nur schmucklos, sie bestehen lediglich aus einer Vertiefung,
in die die Eier, die wunderbar getarnt sind, hineingelegt werden.
Der Halsbandregenpfeifer war so schnell wieder auf seinen Eiern und ließ sich kaum von ihnen entfernen, so daß von diesem „langweiligen“ Vogel wenige Bilder entstanden.
Nur äußerst selten landete die Zwergseeschwalbe auf ihren Eiern; meistens landete sie etwas weiter entfernt, oftmals auch nicht gleich beim ersten Anflug, und dann sah sie sich sehr lange sehr kritisch um, bevor sie sich entschloss, sich ihrem Nest zu nähern, um weiterzubrüten. Ein letzter Blick in die Runde, dann tippelte sie die fünf, sechs Schritte zum Nest, einer kleinen Vertiefung in den Muschelschalen, in die sie ihr Ei gelegt hatte. Sie rückte sich die harten Muschelsplitter zurecht und setzte sich bequem hin, ununterbrochen umherschauend. Bei ungewöhnlichen Dingen, möglicher Gefahr, sich tief ins Nest duckend, war sie dennoch immer bereit aufzufliegen und war dann Sekundenbruchteile später schon in der Luft.
Als ich morgens allein losgegangen war, traf ich auf dem Sommerdeich
eine Gruppe von etwa fünfzig Austernfischern.
Diese griffen mich, wie das rechte Bild zeigt, heftig an,
die lieben Tierchen fühlten sich wohl gemeinsam sehr stark.
Der Austernfischer auf dem Sommerdeich, bei dem Joachim und ich ansaßen,
gab nur Laut, wenn ihn etwas ärgerte.
Auch er war stets wachsam und sah sich dauernd um. Und wenn wir uns bemerkbar machten,
sah er uns misstrauisch an. Es konnte auch sein, daß er aufsprang und vom Nest weglief.
Dann legte er laut schimpfend etliche Meter zurück und kam in einem Bogen
zum Nest zurück, um seine Eier zu zählen.
Anschließend ließ er sich nieder und brütete mit Geduld,
bis er sich wieder einmal, beringt wie er war, vom Nest entfernte.
Vor der Rückfahrt sahen wir einen Hubschrauber
und auf der Rückfahrt einen müden Herrn Ohmsen.
2 Kommentare
Manfred
29. November 2018 um 20:15 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
völlig fertig und voll zufrieden?
das kommt gut rüber, mein lieber
Danke mal wieder,
Dass wir von deinem Einsatz so profitieren
Runa Borkenstein
29. November 2018 um 20:00 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Nach dem Lesen dieser Erinnerungen in Wort und Bild,
stimme ich ohneWennundAber damit überein,
„…daß man seine Ferien oder seinen Urlaub
auf keine Art und Weise besser verbringen kann.“