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Jan 13 2012

Bilderrätsel Nr. 72 – Eggers

Was hier Ende der Fünfziger auf den ersten Blick aussieht wie ein Aquarium, ist keine Zoohandlung, sondern ein anderes Geschäft in Kappeln.

Frage: Welches?

Bilderrätsel Nr. 72

Bevor ich zur Auflösung komme, muss ich mich erst mal für die außerordentlich lebhafte Beteiligung bedanken. 11 richtige Antworten kamen von Eckhard Schmidt, Heino Küster, Holger Petersen, Runa Borkenstein, Hannelore Buchen, Gadso Weiland, Almut Langenfeld, Regina Wilke, Birgit Sievers, Uwe Frye und Manfred Rakoschek.

Neben der Lösung selbst wurden zwei zusätzliche wesentliche Aspekte angesprochen, die es hier unbedingt abzuarbeiten gilt.

Zunächst aber zur Auflösung. Auf dem Bild von 1959 zu sehen ist die damals hochmoderne Vitrinenpassage im Eingangsbereich des Salamander-Schuhhauses Bruno Eggers in der Schmiedestraße 25.

Kappeln - Schuhaus Eggers (1959)

Von 1862-1885 gehörte das Grundstück Schmiedestraße 25 dem Viehhändler Heintze, danach bis 1912 dem Viehhändler Wilhelm Rickleffsen. Die Stallungen befanden sich auf der Rückseite zur Wassermühlenstraße hin.

1918 verkaufte Frau Rickleffsen das Anwesen an Schumachermeister Willy Eggers, der seit 1910 in einem kleinen Haus in der Querstraße ein Schuhwarengeschäft mit Reparaturwerkstatt betrieb. Nach dem 1. Weltkrieg zog er mit seinem Betrieb um und baute ihn ständig weiter aus. In den zwanziger Jahren entwickelte sich das Schuhhaus Eggers zu einem bedeutenden Geschäft in der Umgebung von Kappeln und überstand erfolgreich Inflation, Deflation und den 2. Weltkrieg.

1950 übergab Willy Eggers das Geschäft an seinen Sohn Bruno, der es groß ausbaute und modernisierte. 1970 zog sich Bruno Eggers zurück und überschrieb seinen beiden Söhnen Kay und Jens das Unternehmen zu gleichen Teilen. (Kay Eggers heiratete übrigens meine frühere Klassenkameradin Inga Pankalla.)

Heute ist Schuh-Eggers ein großes Unternehmen mit 80 Filialen. Weitere Details können auf der Firmenhomepage nachgelesen werden.

Eggers war in den sechziger Jahren übrigens einer der wichtigsten und beständigsten Anzeigenkunden der Schülerzeitung DER ROTSTIFT.

Anzeigen-Galerie 1961-1969

Nun – wie eingangs angekündigt – zu zwei Phänomenen, die von euch mit dem Namen Eggers verbunden wurden:

Heino Küster: Ich habe mich immer über die Salamander-Hefte gefreut.

Holger Petersen: Hier werd` ich fix zum Burschi, denn es grüßt mich Lurchi! Ich wette ein paar Crackers, das ist das Schuhhaus Eggers. … „Lang erschallt`s im Walde noch: Salamander lebe hoch!“

Manfred Rakoschek: Meine Erinnerung liefert einen eher düsteren Eingang und am ehesten noch Lurchi-Hefte.

Mecki und Lurchi waren die Helden meiner Kindheit. Dabei hatte ich wegen der guten Beziehungen meiner Mutter das große Privileg, dass ich alle Lurchi-Hefte bekam, auch wenn gerade kein Schuhkauf anstand. Meine Begeisterung für den kleinen Salamander war so groß, dass ich innerhalb meiner Familie selbst den Spitznamen Lurchi erhielt. Mein geliebter ostpreußischer Großvater nannte mich allerdings immer „Lorschi“, woraufhin ich ihn jedes Mal korrigieren musste: „Das heißt Lurchi!“ Schließlich wurde sogar unser Motorboot auf den Namen „Lurchi“ getauft, nicht etwa nach der Zeichenfigur, sondern nach mir!
Lurchis Abenteuer
Lurchis Abenteuer erfreuen sich bereits seit 1952 größter Beliebtheit bei den Kindern. In diesen Tagen dürfte die 147. Folge erscheinen. Darüber hinaus werden die Lurchi-Sammelbände mit allen Abenteuern alle paar Jahre wieder neu aufgelegt. Insbesondere die frühen Original-Hefte sind inzwischen kostbare Sammlerstücke. Meine Originale (etwa 15-20 Folgen ab 1954) haben leider schon lange den Weg alles Irdischen beschritten.

Alles, was man über Lurchi wissen möchte, erfährt man bei Wikipedia und auf der Lurchi-Homepage von Salamander. Auf einer Privathomepage kann man sich sogar zwei komplette Hefte anschauen.

Jetzt zum zweiten von euch ins Spiel gebrachte Phänomen:

Holger Petersen: Ist eigentlich bekannt, ob seinerzeit ECHTE Röntgenstrahlen verwendet wurden, um den Sitz der neuen Schuhe zu kontrollieren (ich kann mich an so eine Art Durchlichtgerät erinnern)?

Almut Langenfeld: Ich erinnere mich, dass meine Füße mit den neuen Schuhen bei Eggers immer durchleuchtet wurden, damit sie groß genug waren. Ich glaube nicht, dass man das heute noch macht.

Meine persönliche Erinnerung an diesen Apparat ist eher diffus, jedenfalls scheint er bei mir keine so große Begeisterung ausgelöst zu haben wie bei anderen Kinderrn. Gerade deshalb interessierte mich jetzt, was es damit auf sich hatte.

Viele „fortschrittliche Schuhgeschäfte – so auch das Schuhhaus Eggers – verfügten in den Fünfzigern bis zum Anfang der sechziger Jahre über einen modernen Schuhdurchleuchtungsapparat, „Pedoskop“ genannt, der dazu da war, für die Kinder die passenden und gesündesten Schuhe zu finden.

Wenn die Schuhe gedrückt haben, „durfte“ man als Kind seine Füße unter diesen Apparat stellen. Von oben konnte man dann hineinschauen und seine Füße (und Knochen) durch den Schuh hindurch sehen. Links und rechts waren zwei weitere Gucklöcher, eines für die Mutter oder den Vater, das andere für die Schuhverkäuferin.

Weil dieses Gerät mit Gammastrahlen, also mit Röntgenstrahlung arbeitete, wurde es, als Untersuchungen belegten, dass 85 Prozent der Geräte eine zum Teil erschreckend hohe Strahlung abgaben oder unsachgemäß aufgestellt und bedient wurden, langsam aus dem Verkehr gezogen.

Pedoskop - Quelle: Wikipedia - David WernerDie Geschichte des Pedoskops begann am 1895 mit der Entdeckung der Röntgenstrahlung durch Wilhelm Conrad Röntgen. Von der Bevölkerung wurde diese Entdeckung geradezu euphorisch aufgenommen. Durch diese Strahlen war plötzlich alles möglich: der Blick in den Körper, Gedankenlesen, durch Türen schauen, Geheimnisse erraten, Fälschungen entlarven, eben einfach alles!

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurde langsam klar, dass diese Strahlen sind nicht ganz so ungefährlich waren, wie man zu Beginn dachte. Aber trotz teilweise schwerer Verletzungen und erster Prozesse wegen Röntgenschädigungen hielt die Begeisterung für die neuen Geräte bis weit in die zwanziger Jahre an. Die Röntgenbilder strahlten eine so große Faszination aus, dass der Glaube an diese Technik intakt blieb.

Dass mit Röntgenstrahlen schließlich auch Füße durchleuchtet und Schuhe angepasst wurden, verdanken wir den Militärärzten und dem 1. Weltkrieg. Die ersten primitiven Schuhscanner prüften den Sitz von Soldatenstiefeln oder halfen bei der Diagnose von Verletzungen auf dem Kriegsschauplatz. Bei angezogenen Stiefeln ging das einfach schneller.

Die richtigen, zivil eingesetzten Pedoskope erschienen erst in den zwanziger Jahren, traten dann aber schnell einen wahren Siegeszug an, was vor allem an der beginnenden Massenfabrikation in der Schuhproduktion lag. Die Schuhe wurden nicht mehr auf dem Leisten, sondern am Fließband hergestellt.

Mehr Aufwand als bei der Abschirmung der Strahlung betrieb man übrigens beim Design der neuen Geräte. Im Gegensatz zum klassischen Röntgenapparat hatte das Pedoskop ein eher gediegenes Aussehen. Nur allerfeinstes im Art-Deco-Stil gestaltetes Mahagony-Holz durfte seine undichte Außenhaut bedecken. Konstruktionsbedingt (im Unterbau befanden sich die mit Bleiplatten gedämmten Röntgenröhren) hatte der Apparat etwas fast Thronhaftes. Zum Durchleuten der Füße musste man zunächst den Sockel besteigen.

Das Ende des Pedoskops wurde eingeläutet, als es nach dem Krieg in das Visier einer neuen Profession, der Strahlenschützer, geriet. Alles, was an Strahlung vermeidbar war, sollte verschwinden. Verboten wurde es aber nicht. Es wurden Strahlenschutzrichtlinien eingeführt und regelmäßige Kontrollen angeordnet. Das war den Schuhgeschäften dann zu umständlich und zu teuer, und so verschwanden die meisten Geräte bis Mitte der sechziger Jahre von ganz allein.

Heute existieren nur noch einzelne Exemplare in technikgeschichtlichen Lehrsammlungen und in Schuhmuseen.

(Quelle: Schuhkauf im Röntgenlicht, SWR2 Hörfunk, 2009, Sendeprotokoll)

13 Kommentare

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  1. Manfred Rakoschek

    nachtrag,
    sollte es doch schuh-kock in der mühlenstraße sein?
    wo genau war der laden und was gibt es noch zu all den einzelhändlern zu erraten!
    das macht einfach spaß, achim

    1. admin

      Kock war in der Mühlenstraße 37, lange nicht so modern wie Eggers, sowohl von der Einrichtung auch vom Angebot her.

  2. Manfred Rakoschek

    moinmoin,
    der großzügige eingang passt auf das schuhgeschäft schmiedestraße gegenüber von sander (eggers?), vom bild-winkel her vielleicht aus dem ersten stock aufgenommen;
    meine erinnerung liefert aber einen eher düsteren eingang und am ehesten noch lurchi-hefte.
    unsicher bin ich. hat jemand der mitleser und mitrater einen alten stadtplan, 1960 plus-minus? ich würde gern einen 1960er street-view aufbauen, erstmal im meinem kopf, bei interesse von euch auch ausbauen (im doppelten sinn).

    gruß, manfred

  3. Uwe Frye

    Schuh Eggers Schmiedestrasse25

  4. Birgit Sievers

    Schuh-Eggers – hat sich doch kaum verändert, oder?

  5. Regina Wilke

    Das schöne Aquarium zeigt Schuhe!
    Juhu für jede Frau.
    Schuh Eggers.

  6. Almut Langenfeld, geb. Weiland

    Das ist wohl Schuh-Eggers in der Schmiedestraße. Ich weiß nicht, ob es noch existiert, jedenfalls gibt es jetzt ein Schuhgeschäft gleichen Namens in Schleswig. Aber es ist schon komisch mit dem Gedächtnis: Ich weiß jetzt nicht, ob in Kappeln in der Mühlenstraße noch ein Schuhgeschäft war, mit dem ich es jetzt verwechseln könnte. Aber Du wirst uns sicher aufklären. Ich erinnere mich jedenfalls, dass meine Füße mit den neuen Schuhen bei Eggers immer durchleuchtet wurden, damit sie groß genug waren. Ich glaube nicht, dass man das heute noch macht.

  7. Gadso Weiland

    Hallo Achim,
    das Bild zeigt die Schaufenster von Schuh Eggers in der Schmiedestraße, schon damals bekam ich Elefantenschuhe von Schuh Eggers.
    Heute gibt es in einigen Städten von SH Niederlassungen.
    LG
    Gadso

  8. Hannelore Buchen geb. Lotze

    Das ist Schuhhaus Eggers, oder ?

  9. Runa Borkenstein

    Nachdem ich die Hindernisse Deiner Fragestellung, lieber Achim, überwunden habe,
    traue ich mich jetzt wie folgt zu antworten: es ist die Urmutter aller Schuhgeschäfte,
    Schuh-Eggers.

  10. Holger Petersen

    Hier werd` ich fix zum Burschi,
    denn es grüßt mich Lurchi!
    Ich wette ein paar Crackers,
    das ist das Schuhhaus Eggers.
    ….
    „Lang erschallt`s im Walde noch:
    Salamander lebe hoch!“

    Ist eigentlich bekannt, ob seinerzeit ECHTE Röntgenstrahlen verwendet wurden, um den Sitz der neuen Schuhe zu kontrollieren (ich kann mich an so eine Art Durchlichtgerät erinnern)?

  11. Heino Küster

    Moin, moin,
    das ist Schuhhaus Eggers in der Schmiedestraße, etwas umgebaut heute immer noch an gleicher Stelle. Ich habe mich immer über die Salamander-Hefte gefreut.
    Schuh-Kock gab es damals, wenn überhaupt in den Fünfzigern, in der Mühlenstraße, hatte aber einen anderen Eingangsbereich. Später war Schuh-Kock neben Eggers. Heute nicht mehr existent.

    LG
    Heino

  12. Eckhard Schmidt

    Eggers in der Schmiedestraße

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