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Sep 12 2011

Kammerkonzert 1968

Klaus-Harms-Schule

Beim nachträglichen Überfliegen der zuletzt erstellten SchulZeitReisen-Artikel fiel mir in der Schulchronik 1967/68 das Konzert vom 20. Mai 1968 ins Auge. Daran hatte ich als Oberstufenschüler ja nicht nur teilgenommen, sondern auch ein paar Fotos gemacht.

SCHLEI-BOTE vom 22.05.1968Bei der gezielten Durchsicht meiner alten Negative wurde ich (ausnahmsweise) schnell fündig.

Der Text des zugehörigen Artikels aus dem SCHLEI-BOTEN vom 22. Mai 1968 stammt – wie auch beim Hausmusiktag 1967 – von Dr. Bürgin.

Von der Klassik bis in die Romantik

Kleines Kammerkonzert vor Klaus-Harms-Schülern

»Kappeln (bgn). Am Montagmorgen gab das Trio Rolf Ermeler aus Lübeck in der Aula der Klaus-Harms-Schule ein kleines Kammerkonzert vor den Schülern der oberen Klassen. Studiendirektor Fritz Krassow begrüßte die Künstler, die Pianistin Frau Maria Ermeler-Lortzing, die Cellistin Frau Gisela Reith und Rolf Ermeler selbst, den Flötisten. Man hatte dieses Trio in anderer Besetzung schon mehrfach in Konzerten der Volkshochschule in Kappeln gehört.

SCHLEI-BOTE - Kammerkonzert 1968Sie hatten für diesen Vormittag ein Programm gewählt, das von der Klassik bis in die Romantik reichte. Die Musiker begannen mit dem Trio in D-Dur für Klavier, Flöte und Cello von Johann Nepomuk Hummel, einem Mozart-Schüler, der die Nachfolge Haydns als Kapellmeister beim Grafen Esterhazy angetreten hatte und dessen Musik die Flüssigkeit und Eleganz dieser Epoche zum Ausdruck brachte. Auch dieses Trio gewann die jungen Hörer durch seine innere Bewegung, seinen Schwung und die melodiösen Einfälle. Es folgte das Haupt- und Kernstück des Programms, die e-Moll Brahms-Sonate opus 38 für Violoncello und Klavier. Die junge Cellistin verstand es, dieses schwierige dreisätzige Werk klar und werkgetreu zu interpretieren, unterstützt von der hervorragenden Technik der Pianistin Frau Ermeler-Lortzing.

Nach einer Pause spielte Rolf Ermeler mit seiner Frau ein reizendes Rondo in e-Moll von Franz Xaver Mozart, dem jüngsten Mozart-Sohn, worauf eine recht pompöse und effektvolle Introduktion und Polonäse von Frederic Chopin folgte, von Cello und Klavier virtuos und brillant vorgetragen. Den Abschluß bildeten drei Sätze aus Carl Maria von Webers Trio in g-Moll, opus 63, ein Scherzo, ein langsamer Satz, genannt „Schäfers Klage“, und ein mitreißendes Finale. Einen besonderen Eindruck hinterließ die melancholische, echt romantische Melodie des Schäferliedes, von einem Instrument dem anderen zugespielt, wonach alle drei es wieder gemeinsam durchführten.

Die Schüler erhielten einen guten Eindruck eines klassischen Kammerkonzertes, wenn auch die oft starken Fortes der an sich guten Akustik der Aula nicht genügend Rechnung trugen. Sie spendeten nach jedem Musikstück lebhaften Beifall


Nachtrag vom 19. November 2011:

Wie ich erst heute bemerkt habe, enthielt auch der ROTSTIFT Nr. 18 vom Juli 1968 einen Beitrag zu diesem Konzert.

Bemerkenswert finde ich, dass die Autorin und der Autor sich zwei Wochen vor ihrem mündlichen Abitur noch Zeit für einen solchen Artikel genommen haben.


ROTSTIFT Nr. 18 (Juli 1968)»Am 20.5. fand in der 5. und 6. Stunde in der Aula unserer Schule für die Klassen UII bis OI ein klassisches Konzert für Klavier, Cello und Flöte statt.

Die Schulleitung war zweifellos der Ansicht, den Schülern, die sonst derartige Musik im allgemeinen nur mit Hilfe von Schallplatten hören können, hiermit einen „musikalischen Leckerbissen“ zu servieren, wie man aus den Worten Herrn Krassows entnehmen konnte, die hier zitiert werden sollen:

„Ich freue mich nicht nur, nein, ich bin sogar glücklich, daß wir heute die Gelegenheit haben, ein Konzert in ‚life‘ zu erleben!“

Befand sich dieses Glücksgefühl auf seiten Herrn Krassows auch auf seiten des übrigen Publikums? Ist es überhaupt sinnvoll, an unserer Schule ein Konzert dieser Art zu veranstalten?

Anscheinend waren die Künstler es nicht gewohnt, in einem verhätnismäßig kleinen Raum wie unserer Aula zu musizieren, denn auf die Dauer wurde die Lautstärke der Instrumente für einen großen Teil der Zuhörerschaft fast unzumutbar.

Aber vor allen Dingen sollte man mehr die Einstellung und das Interesse der Schüler gegenüber solch einem Konzert berücksichtigen, anstatt sie, wie es in diesem Fall getan wurde, zur Teilnahme zu zwingen.

Denn diejenigen Schüler, die kein Interesse für klassische Musik aufbringen können und fast zwei Stunden lustlos und gelangweilt auf ihren Stühlen hin- und herrutschen, werden ungewollt zu Störern des interessierten Publikums als auch der Künstler.

Anbei noch ein aufschlußreicher Kommentar eines Zuhörers nach dem Konzert: „MENSCH, NICHT ‚MAL SCHLAFEN KONNTE MAN DABEI!“

Es wäre noch zu überlegen, ob es nicht von größerer Wichtigkeit ist, zwei Stunden regulären Unterrichts für die Notatandsgesetzlesung zu „opfern“, die ein aktueller Anlaß sind und jeden Staatsbürger interessieren (sollten), als …

A. I. | M. T.«



Nachdem mir dieses „Event“ zuvor schon ein wenig aus der Erinnerung entglitten war, war mein Interesse nach der Erstellung dieses Beitrags um so größer.

Klaus-Harms-Schule - Gisela Reith 1968Aus meiner (in diesem Fall ziemlich getrübten) Erinnerung war diese Veranstaltung doch wohl eher ein Synonym für „kein Unterricht“ und für mich persönlich die Chance, beim SCHLEI-BOTEN wieder einmal fünf Mark für ein zweispaltiges Bild zu kassieren – damals ein halbes Monats-Taschengeld!

Jetzt aber, beim Anschauen der alten Fotos, verspürte ich plötzlich den Drang, mal zu versuchen, ob sich im Internet noch irgend etwas über die damaligen Musiker finden lässt.

Die Spur der Ermelers aus Lübeck verliert sich leider relativ schnell – die waren ja damals schon eine deutliche Generation weiter –, aber Gisela Reith, die mir auf dem Foto so sympathisch in die Linse schaut, hat sich tatsächlich ein wenig verewigen können.

Als Mitglied des Clara-Wieck-Trios ist sie bis in die 90-er Jahre auch auf mehreren CD-Produktionen zu hören, z. B. auf diesen beiden, die aktuell immer noch im Handel erhältlich sind:


Klara-Wieck-Trio 1996Klara-Wieck-Trio 1990


Und bereits 1972 war sie an der SWF-Produktion „Schwedische Volkslieder“ mit Bibi Johns beteiligt, die bisher zwar nicht als CD erschienen, aber immerhin mit drei Titeln im Internet anhörbar ist.

Ganz nebenbei: Die CD-Aufnahmen sind klasse! Ich nähere mich dieser Form der Musik nur sehr langsam, und dass Kammermusik so schön und intensiv klingen kann, habe ich damals wirklich nicht realisiert. Diese Erkenntnis verdanke ich nicht zuletzt auch dem obigen Foto, das mich zu dieser (auch akustischen) kleinen Recherche veranlasst hat.