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Okt 27 2015

Klassenfahrt nach Kappeln – 1963 (5)

Kappeln an der Schlei 1963

Gymnasium für Jungen Blankenese – Klasse 7a

Kultur und Erziehung

Klassenfahrt nach Kappeln 1963Über das kulturelle Leben und die Erziehungseinrichtungen der Stadt Kappein annähernd erschöpfend zu berichten ist unmöglich. Dies Gebiet ist viel zu vielgestaltig, es gehören hierzu die Religionsgemeinschaften mit ihren Vereinen, die verschiedenen Schulen, zu denen täglich 1.200 Schüler von außerhalb kommen, es gehören dazu aber auch alle Vereinigungen und Vereine, Zusammenschlüsse von Erwachsenen und Jugendlichen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, über das materielle Streben des heutigen Menschen hinaus Charakter, Körper und Geist weiterzubilden. Es gehört dazu schließlich alles, was an Sitten und Gebräuchen in der Bevölkerung noch lebendig ist und gepflegt wird.

Die Kirchen

Die evangelische Kirche umfaßt ca. 4.000 Seelen. Ihr Friedhof liegt in der Schmiedestraße, dessen Kapelle 1767 erbaut wurde. Vom Turm der Kirche, die 1789 im Auftrage der Herren von Rumohr neu gebaut wurde, bläst der Posaunenchor jeden Sonnabend. Missionsgruppen, Männerkreis, Frauenhilfe und Christliche Pfadfinder wirken sozial und kirchlich.

Die katholische Kirche hat 530 Seelen. Ihre Kirche ist 1954 erbaut, früher wurden die Messen im Pfarramt abgehalten. Der Flüchtlingsstrom nach dem Kriege brachte ein starkes Anwachsen der Katholiken in Kappeln, viele sind aber inzwischen wieder weggezogen. Sonntags werden zwei Messen gehalten, zu denen die Gemeinde aus 43 Orten des Kirchspiels mit Omnibussen herangebracht wird.

Die Baptistenkirche zählt 30 Seelen. Der Prediger kommt jeden Sonntag zu den Messen in die Kirche, die 1956 eingeweiht wurde, aus Flensburg.

Größer ist die Neuapostolische Gemeinde, deren Kirche 1952 eingeweiht wurde. Ihre Mitgliederzahl ist von 5 im Jahre 1946 auf 120 im Jahre 1963 angestiegen.

Die Schulen

Das Gymnasium wird von 300 Schülern und Schülerinnen besucht, von denen ein Drittel aus Kappeln, der Rest aus den Kreisen Eckernförde, Schleswig und Flensburg kommt. 24 Lehrkräfte – die meisten sind Männer – unterrichten an ihm. Es gibt nur gemischte Klassen, in denen zwei Fünftel Mädchen sind. Einmal im Jahre findet ein zweitägiges Schulfest statt. Am ersten Tage zeigen die Unter- und Mittelstufe ein Stück, am zweiten führt die Oberstufe ein mehrstündiges Theaterstück auf. Früher war das Gymnasium eine Lehrerbildungsanstalt, danach diente es als Ausbildungsschule, seit 12 Jahren ist es ein Gymnasium.

Bis auf zwei Klassen gibt es Parallelklassen. In der Sexta bekommt man Englisch als erste Fremdsprache, in der Quarta kann man zwischen Latein und Französisch wählen, in der Untersekunda muß man, wenn man in der Quarta Latein genommen hat, Französisch nehmen und umgekehrt.

Vor einem Jahr wurde ein Anbau vorgenommen, der inzwischen beendet ist. Die Schule besitzt keinen eigenen Sportplatz, aber eine eigene Turnhalle. Auf dem Schulhofe befinden sich eine Weitsprunggrube und ein Handballplatz. An Rennruderbooten hat die Schule Vierer und Achter. Oft sind ausländische, vor allem englische, Lehrer zu Gast. Die SMV gibt eine Schülerzeitschrift „Der Rotstift“ heraus. In der Aula hält die Volkshochschule ihre Vorträge ab.

388 Schüler, von denen 220 von außerhalb kommen, besuchen die Mittelschule von Kappeln, 18 Lehrkräfte unterrichten hier. Der Rektor gab uns eine Übersicht über die Ausgaben, die für die Schule 1961 nötig waren.

Personalkosten: 26.657 DM
Unterhaltung, Heizung, Reinigung: 39.000 DM
Schulbetrieb: 23.400 DM
Tilgung, Zinsen: 39.573 DM
insgesamt: 128.630 DM

Eine besondere Bedeutung für das schulische Leben hat die Laienspielgruppe. Die 1959 gegründete Arbeitsgemeinschaft für Laienspiel hatte im Jahre 1961 „Dunkelrote Rosen“ von Paul Nicolai eingeübt, ein Stück von 5 Akten. Die Premiere fand auf den Gildenfest statt. Der Beifall zeigte, daß die Arbeit sich gelohnt hatte.

Jedes Jahr fahren die 7. Klassen in das Landschulheim Rantum auf Sylt. Sie leben dort mit 400 Kindern aus anderen Schularten zusammen.

In diesem Jahre haben Lehrer und Schüler für die Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel bei Bielefeld ca. 5000 Briefmarken gesammelt und gespendet.

Die 420 Schüler der Volksschule in der Reeperbahn kommen aus Kappeln. Bis zur 4. Klasse der Grundschule gibt es Parallelklassen. Wie bei uns gibt es die neunjährige Schulpflicht. Früher brauchten allerdings die Mädchen nur 8 Jahre zur Schule zu gehen.

Nach dem Ende des letzten Krieges diente die Schule als Berufsschule. In dieser Zeit gab es u. a. auch eine Malerklasse, die das Schulgebäude durch Wappen von Städten aus Schleswig-Holstein, Hamburg und anderen bedeutenden Städten des deutschen Ostens und des Bundesgebietes ausschmückte.

Jedes Jahr wird ein zweitägiges Schulfest mit der Wahl des Königs und der Königin in einer Gastwirtschaft gefeiert. Es wird von der Kindergilde der Schule veranstaltet und ist für die Schüler und Lehrer der Volksschule, ja für ganz Kappeln ein richtiges Volksfest. Musik wird gemacht und auch getanzt. Zweimal ziehen die Kinder mit Blumen und blumenbewundenen Reifen in Festkleidern durch die Straßen der Stadt.

Die Landwirtschaftsschule hat eine alte Geschichte. Am 1. Mai 1845 wurden landwirtschaftliche Lehrgänge in Oersberg zum ersten Male in ganz Schleswig-Holstein abgehalten. Zeitweilig wurde der Unterricht aus politischen Gründen eingestellt. Als Kappelner Schule wurde sie im Jahre 1867 neu eröffnet, da viele Mitbegründer aus der Umgebung von Kappeln stammten. Seitdem hat die Schule ihre Lehrgänge ununterbrochen durchführen können. Allerdings war die Schülerzahl während der beiden Weltkriege sehr gering.

Die Jungen müssen die Schule zwei Semester besuchen, um dann die Abschlußprüfung als Betriebsleiter machen zu können. Es gibt durch die 2 Semester eine Unterklasse und eine Oberklasse. Um in die Oberklasse zu kommen, muß man eine Prüfung am Schluß der Unterklasse bestehen. Die Jungen sind bei ihrem Eintritt 19 bis 20 Jahre alt und haben als Vorbildung Volksschule, Mittelschule oder Gymnasium. Die Bauernsöhne der Umgebung haben vorher schon drei Jahre die Berufsschule besucht. Ihre Eltern besitzen meist 10 bis 100 Hektar Land. Der Lehrplan der Unterklasse sieht vor:

Ackerbau
Buchführung
Chemie
Physik
Sport
Vortragsübungen

In der Oberklasse bekommen sie:

Betriebslehre
Landtechnik
Pflanzenbau
Fütterung
Bürgerkunde
Sport

Außer dem Direktor sind noch zwei Lehrer und ein Referendar an der Schule tätig. 25 Jungen gehen jeweils in die zwei Klassen. Gute Schüler können nach den zwei Semestern noch die Höhere Landbauschule besuchen.

Die Mädchen haben nur ein Semester. Sie lernen:

Kochen und Backen
Aufgaben einer Hausfrau und Bäuerin
Handarbeit
Geflügelhaltung
Betriebslehre
Singen
Deutsch

Im Winter wird einmal im Monat ein Vortrag durch ehemalige Schüler gehalten.

Früher hielt die Dänische Schule ihren Unterricht einer Baracke ab, vor zehn Jahren wurde der neue Backsteinbau errichtet. Als im zweiten Weltkriege an die Angehörigen des Südschleswiger Vereins Lebensmittel ausgegeben wurden, wurde die Schule sehr besucht, so daß es sogar Mittelschulklassen gab. Heute werden 57 Schüler in gemischten Volksschulklassen von vier Lehrern unterrichtet. Alle Schüler dieser Schule sind dänischer Abstammung und gehören der dänischen Minderheit Schleswigs an.

Bis zu 80 % wird die Schule von privaten Spenden (Schulgeld u. a.) finanziert, den Rest steuern der deutsche und der dänische Staat bei. Ein Kindergarten mit 27 Kindern ist angeschlossen.

In der Umgebung finden wir noch dänische Schulen in Arnis, Gelting, Süderbrarup und Karby, die z. T. ganz modern mit großem Physikraum, einer Bühne in der geräumigen neuen Turnhalle, mit einem Freizeitraum, Andachtssaal und Werkraum ausgestattet sind. Nachmittags kommen die Schüler freiwillig zum Sport und Werken.

Im Zusammenhang mit der Volkshochschule des Kreises Schleswig führt der Kulturausschuß der Stadt Kappeln unter der Leitung von Herrn Asmus Peter Weiland kulturelle Veranstaltungen durch. An Themen werden in diesem Jahre u. a. geboten:

Ungarn heute, Farblichtbildervortrag von Dr. W. Götz, München
Teneriffa, Land und Leute, Farblichtbildervortrag von Walter Daebel, Kappeln
Konzert des Satruper Orchesters, Leitung W. Kröger
Auf den Spuren Nils Holgersons, Farblichtbildervortrag über Schweden von Richard Plautz, Köln
Die Dänen und die Deutschen – Die Deutschen und die Dänen
     Lichtbildervortrag über Dänemark von Horst Fuchs
Friedrich Hebbel – Schicksal und Werk, W. D. Jägel, Kappeln,
     zum 150. Todestag des schleswig-holsteinischen Dichters
Botanische Wanderung auf Teneriffa, von Walter Daebel, Kappeln
Holland – Symphonie der Lebensfreude, von Herbert Donnecker, Köln

Außerdem führt Walter Daebel, Kappeln, eine Arbeitsgemeinschaft durch im Rahmen der Volkshochschule mit dem Thema: Der Mensch von gestern und heute. Als Themen für die einzelnen Vorträge sind u. a. vorgesehen:

Wieweit läßt sich der Weg des Menschen zurückverfolgen?
Wie ist es mit der Abstammung vom Affen?
Kann der Mensch sich von den Naturgesetzen befreien?

Eine andere Arbeitsgemeinschaft behandelt Nordamerika, wie ich es sah. Eindrücke von einem einjährigen Aufenthalt in USA mit Farblichtbildern und den Unterthemen:

Eine höhere Schule in Virginia
Stätten der Geschichte der USA
Amerikanische Großstädte
Ferienparadies in Florida und Jamaika
Ein Ausflug nach Canada

Die Vereine

Für die körperliche Betätigung steht der Turn- und Sportklub Kappeln zur Verfügung, der auf seinem Sportplatz an der Mittelschule Leichtathletik, Fußball und Handball betreibt.

Der Arnisser Segelclub mit seinem Sitz in Kappeln besteht 50 Jahre. 230 Mitglieder mit 40 Booten gehören zu ihm. Schiffe bis zu 2 m Tiefgang können vor dem Steg festgemacht werden. Ein neues Mitglied muß 100 DM Eintritt bezahlen, der Jahresmitgliedsbeitrag beträgt 30 DM.

Von den Männervereinigungen, die früher jährlich ihre Feste feierten, tut dies nur noch die Schützengilde. Das größte Fest, das bis 1938 noch alle fünf Jahre, aber dann acht Tage lang, gefeiert wurde, war das Fest der Türkengilde. Zum Andenken an die glückliche Wiederkehr eines Herrn von Rumohr aus türkischer Gefangenschaft, der von den Kappelner Bürgern nach Hause geholt wurde, wurde lange Zeit ein großes Fest gefeiert, bei dem ein Türkenschiff mit einer Besatzung in türkischen Kleidern in Kappeln anlegte. Mitglieder der Türkengilde, die dieses Fest durchführte, durften nur Junggesellen sein. Heirateten die Mitglieder der Türkengilde, so traten sie meist der Männergilde bei.

Langsam stirbt aber alles Brauchtum aus, da die alten Kapplner nicht mehr den Hauptteil der Bevölkerung ausmachen und die jungen Leute nicht mehr die dazu nötige Lust, Zeit und Besinnlichkeit haben oder haben wollen. Auch alte Leute, die wir danach fragten, konnten uns außer Belanglosigkeiten oder Bräuchen, wie es sie auch anderswo gibt, nichts erzählen.

Zu den großen Söhnen der Stadt Kappeln gehören u. a. Hermann Claudius und Ludwig Hinrichsen.

Der alte Ratskrug

Wie man auch heute noch altes Brauchtum wenigstens in der Erinnerung wachhalten kann, sieht man zuweilen bei Geschäftsleuten, die Kunst- und Erinnerungsgegenstände früher und heute gesammelt und damit den Mitmenschen zugänglich gemacht haben. Ein Beispiel dafür ist der Alte Ratskrug, eine Sehenswürdigkeit des heutigen Kappelns. Dieser Gasthof, der im Jahre 1800 erbaut wurde, liegt in der Mitte der Stadt und ist ein sehr schöner Fachwerkbau. Zu ihm gehört auch noch ein alter Schuppen, ebenfalls Fachwerkbau, in dem jetzt eine Eisdiele untergebracht ist.

Wenn man durch die Tür des Wirtshauses kommt, erblickt man einen ziemlich großen Raum, in dem an der gegenüberliegenden Wand der Schanktisch steht. Rechts und links stehen Tische mit bequemen Stühlen und Eckbänken. Früher war dies die Kutscherstube und bis vor 8 Jahren war der Fußboden noch mit Sand bestreut, heute ist er mit dunklen Steinplatten belegt. Links an der Wand sind die Portraits aller Besitzer des Ratskrugs stammbaumartig angeordnet zu sehen. Darüber hängt eine große Tafel mit dem Spruch:

Wer denen fleißigen Spielern über die Achsel gucked,
also daß im eyne heiße Angst würdt, den soll man bald
verjagen und heyßt ihm eyn Kiebitz. Wer aber die Karte
von an Spielern beglotzert, und kommt ihm eyn Lüstlein,
eynem etwas kundt zu tun durch klappern mit den Augen
oder schwatzet mit dem Maul, den soll man poenitieren
um dreizig Pennige in guter Münz oder eyn Krügelein vol
Malzbier zu gemeynem, dann verjagt ihn.

Aus dem Jahre 1583

In die dunklen Querbalken an der Decke sind folgende Sprüche in Goldschrift eingeprägt:

Dat dütsche Volk geit nummer dot,
solang noch dat Frien in Mod.
Kappeln weer een Flecken,
to een Stadt nu grad recken,
un de Heringshannel, de is groß un stark,
wie een Heringshöker opp de Karg.
Lat dat Grüweln na, mok di den Kopf nich swoar,
jüst düne Tiet makt allens better kloar.
Dat best ümmer,
seggt Jochen Brümmer,
sick an sein egen Näs to faten,
un de anner Lüt in Ruh to laten.

Links vom Schanktisch fällt eine doppelflügelige Tür besonders auf. Sie ist mit 8 Gemälden von Kappeln und Umgebung ausgeschmückt. Wenn man hindurch geht, kommt man in das ehemalige Damenzimmer. Auch hier stehen gemütliche Tische, Stühle und Bänke ganz aus Holz. Der Raum wird, wenn kein Tageslicht mehr da, ist, von drei verschieden großen Steuerrädern mit je 4, 7 und 12 Birnen erleuchtet. In einer Ecke des Raumes hängt ein uraltes Modell der Santa Maria.

Die Fenster sind im ganzen Haus mit schönen Butzenscheiben ausgeschmückt, die Herr Bock, der Besitzer des alten Hauses, von der Aufbauschule gekauft hatte, als diese neue Wetterscheiben bekam und die alten Butzenscheiben zertrümmert werden sollten.

Der erste Besitzer des Gasthofes war Markus Friedrich Paulsen und nach ihm hieß der Gasthof 134 Jahre lang „Paulsens Gasthof“. Paulsen hatte in Kappeln 2 Fischkutter und flößte mit ihnen nordische Fichte durch die ganze Ostsee extra für seinen Gasthof. Das Holz war bis heute noch nicht reparaturbedürftig! 1933 kaufte Herr Bock den Gasthof von den letzten der Paulsens. Im Frühjahr 1934 wurde der alte Ratskrug umgebaut und erhielt sein jetziges Aussehen. Heute steht er unter Denkmalschutz.

Anfügen wollen wir noch einen Bericht über alte Kappelner Originale, wie sie in dem schon früher erwähnten Sonderheft des Schleswig-Holsteinischen Heimat-Bundes geschildert sind.

Ede von Kappeln war in der Zeit vor dem ersten Weltkriege eine stadtbekannte Figur, auch Schiepen Dallalla genannt. In gemächlich-schlurrendem Gang zog er, vorn übergebeugt, auf Klotzen durch die Straßen des Städtchens und hielt Ausschau nach Fremden, die er dann meistens mit den Worten „Unkel, schall ik mal sing’n?“ ansprach. Dann brachte er seine Strophe halb singend, halb sprechend zum Vortrag, die in den Ausruf endete: „Ik bin de tumbige Ede von Kappeln!“, und dabei hielt er seine Hand auf. Auf diese Art focht er sich manchen Groschen zusammen, bei den Einwohnern begnügte er sich mit dem „Unkel, hest ’n Groschen?“ Morgens war sein erster Gang durch verschiedene Gastwirtschaften, wo er Bier- und Grogreste (sogen. Polacken) verschlang und sich seinen Tagesbedarf an Rauchwaren in Form von Zigarrenstummeln sicherte.

Schiedige Lotte war eine Insassin des Arbeitshauses, eine vollkommen ungepflegte Frau, die ihren Ökelnamen mit Recht trug. Im Strandhotel fand sie in Stall, Waschküche und auf dem Hof Beschäftigung. Jedermann wußte, daß sie unter ihrer „Schut“ einen Beutel trug, in dem allerlei Eßbares verschwand. Zweimal die Woche fegte sie die Straße bei „Süße-Fromme“ in der Poststraße und bei anderen Geschäftsleuten. Bei ihrem „Kappelrund“ kamen die Kappler täglich hier vorbei; so wurde sie von allen gesehen, sie nahm sich aber auch Zeit, alles zu beobachten. Wenn Kappelrundgänger sich über den Wochentag nicht klar waren, war jeglicher Zweifel behoben, wenn einer sagen konnte „Vundag is Miiwoch un nicht Dingsdag, ik heff Schiedige Lotte bi Süße Fromme de Straat feg’n sehn“.

Zur Kleinstadt der vergangenen Jahrhunderte gehörte auch der Ausrufer. Viele Jahre betrieb Fritz mit de Klock dieses Geschäft, ein alter hier hängengebliebener Insasse des Arbeitshauses. Täglich zur fünften Stunde nachmittags machte er, seine Glocke schwingend, für 30 Pfennig seine Runde durch die Straßen. Alle kannten ihn, alle warteten auf ihn, alle hörten ihn. Originell wirkte er durch seine Kleidung, durch seinen holperigen Gang, durch die Art, wie er seine Glocke schwang, und durch seine Ansage. Hatte er nur einen Auftrag, so kam er meistens klar, aber zwei oder mehr Aufträge brachte er mit Sicherheit durcheinander. Dann kam es vor, daß er „frischrökerte Kirschen un Gurken bi Lischke in de Möhl’nstraat“ und „schöne ripe söte un sure Makreln und Sprott bi Mathiesen in de Kehrwieder“ ausbot. Keiner seiner Nachfolger wurde so populär wie er.

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