Schlei-Bote | Mai 1985
Norddüütsche babbeln bi de Hessen
Kappelner gründete „Verein zur Förderung der niederdeutschen Sprache“
Kappeln (he) Ein Kappelner in Rodgau im Kreis Offenbach ist sicherlich nichts Ungewöhnliches. Wenn aber besagter Kappelner fern der norddeutschen Heimat einen „Verein zur Erhaltung und Förderung der niederdeutschen Sprache“ gründet, so ist das wohl als Seltenheit einzustufen. Die Rede ist von Heino Küster, Sandbek, ehemals Schüler der Klaus-Harms-Schule. 1974 verließ er die Schleistadt und siedelte sich im Sommer 1976 in Jügesheim im Kreis Offenbach, ganz in der Nähe Frankfurts am Main, an.
Mit seiner Idee, im Hessischen einen Verein zu gründen, der auch dort die niederdeutsche Sprache aufleben läßt, stand Heino Küster nicht allein. Mit ihm waren es sieben Nordlichter, die sich im Rhein-Main-Gebiet zu dem „Verein zur Erhaltung und Förderung der niederdeutschen Sprache“ zusammenschlossen. Der Sitz ist in Rodgau-Jügesheim. Die Idee kam dem Kappelner, als er vergeblich in Frankfurt und Umgebung versuchte, Literatur in plattdeutscher Sprache zu erwerben. Selbst in einschlägigen Buchhandlungen war nichts zu erhalten, so daß die Bücher bestellt werden mußten.
Offene Augen und Ohren zeigten Heino Küster im Laufe der Jahre weitere Landsleute im Rhein-Main-Gebiet, die ihre Verbundenheit mit der norddeutschen Heimat beispielsweise durch Autoaufkleber hervortaten. Am Arbeitsplatz, beim Segelkursus der Rodgauer Volkshochschule oder im Dänisch-Kursus der Kreisvolkshochschule Offenbach traf Küster zahlreiche Leute aus dem Norden, die überwiegend der Beruf ins Hessische verschlagen hat. Die Idee, sich zusammenzuschließen, ergab sich von selbst. Viel Unterstützung erhält Heino Küster auch von seiner Ehefrau Ulrike, die, obwohl Jügesheimerin, der Liebe ihres Ehemannes zur alten Heimat, viel Verständnis entgegenbringt und sich auch schon mal im Plattdeutschen versucht.
Die sieben Gründungsmitglieder, inzwischen zählt der Verein 25 Mitglieder, stammen aus dem engeren Kollegenkreis bei der Bundesanstalt für Flugsicherung in Frankfurt und aus dem Amt für Flugsicherung der Bundeswehr. In der Zukunft wollen sich die Mitglieder reihum treffen, um in plattdeutscher Sprache zu reden, sie zu pflegen und Erinnerungen auszutauschen.
Doch munteres Geplänkel an der Oberfläche soll es keinesfalls bleiben. Die Mitglieder haben sich vorgenommen, mit sprachwissenschaftlichen Institutionen, wie zum Beispiel Universitäten in Kiel, Hamburg, Bremen und Hannover zusammenzuarbeiten. Niederdeutsch ist schließlich eine Sprache, die an den Universitäten in Norddeutschland studiert werden kann. Weiterhin sucht der Verein Verbindungen zu niederdeutschen Buchverlagen und Autoren. Im nächsten Jahr plant er an einem Wochenende eine Buchausstellung.
Mit Fremdenverkehrsvereinen im niederdeutschen Sprachraum will der Verein Kontakt aufnehmen, um Mitgliedern aus dem Rhein-Main-Gebiet dort günstige Ferienquartiere zu vermitteln. Die Norddeutschen in Hessen wollen Interesse für Land und Leute ihrer Heimat wecken.
An Ideen mangelt es den Nordlichtern für die Zukunft nicht. So will Heino Küster beispielsweise versuchen, Prominente zum Beitritt in den Verein zu bewegen. Gedacht hat er an Finanzminister Gerhard Stoltenberg, Ministerpräsident Uwe Barschel, Bühnenstar Heidi Kabel und Ulknudel Helga Feddersen, die sich allesamt in der plattdeutschen Sprache auskennen. Autorenlesungen, Einrichtungen einer Leihbibliothek und eventuell eine Partnerstadt im Norden sind weitere Zukunftsmusik der Norddeutschen.
Im übrigen kann ein jeder aus dem niederdeutschen Sprachraum stammende oder an der niederdeutschen Sprache interessierte Mitglied werden. Außenstehende Fachleute und Institutionen sind als fördernde Mitglieder dem eingetragenen Verein willkommen.
17 Kommentare
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Fred-van-Thom
12. August 2014 um 12:57 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Wiederhen veel Erfolg, leeve Buten-Kappler!
Eckehard Tebbe
5. Juli 2014 um 20:36 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Schöner Bericht, schönes Video. Wird man ja leicht wehmütig, denn es ist schon irgendwie schade, dass Platt – in welcher Gegend auch immer – weiter zu verschwinden droht. Liegt wohl auch an der mobiler gewordenen Gesellschaft. Aufgewachsen bin ich mit dem Platt meiner Großeltern rund um Hameln, dann 12 Jahre mit dem Angeliter (Oma) und Schwansener Platt und schließlich mit dem im Leinebergland. Das hat sich alles hoffnungslos vermischt. Ich verstehe zwar alles, aber selber sprechen … ? Würde peinlich sein und für viel Spott sorgen.
Wolfgang Jensen
4. Juli 2014 um 17:56 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Als ich 1968/69 beim Bund in Schleswig war, hatte einer auf meiner Stube immer einen Spruch über die Hessen parat: „Alle Hesse sin Verbrescher, denn sie klaue Aschebescher!“ Ich glaub‘, der kam aus Groß-Gerau. Vielleicht könntest Du oder eher Deine Frau, falls Ihr mal zurück nach S-H kommen solltet, hier bei uns einen Kurs „Mer babbele hessisch“ einrichten. Ich hoffe, ich habe das richtig ausgedrückt.
Heino Küster
4. Juli 2014 um 19:00 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Des is völlisch rischtisch ;-)
Runa Borkenstein
5. Juli 2014 um 12:37 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Ja, die Idee hat was, Wolfgang!
„Das Dreggrändsche am Milschdippsche“,
entdeckt und hoheitsvoll angemerkt von Muddi
Hesselbach, der „alten Haut“ (wie ihr LAG
sie einstmals so liebevoll nannte),
ist eines der Glanzlichter
Deutscher Fernsehgeschichte.
Hab ich allerdings erst 40 Jahre später gemerkt.
Hesselnd könnte man dann -genau wie auf Plattdütsch-
wunderbar „weiche Dialoge“ führen. Wortwitz inklusive sozusagen.
admin
5. Juli 2014 um 14:31 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Läuft immer donnerstags im HR-Fernsehen gegen 23:30 Uhr.
Heino Küster
5. Juli 2014 um 16:57 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Ja, Familie Hesselbach, habe ich als Kind auch gerne gesehen – und wie Achim richtig anmerkt, läuft es noch regelmäßig.
In dem Schreiben, dass ich 1986 von Dr. Dr. Uwe Barschel bekam, lud er 10 Mitglieder unseres Vereins zur Eröffnung des Höchster Schlossfestes ein. Schleswig-Holstein hatte in dem Jahr die Schirmherrschaft.
Hier die damalige Festschrift:
http://www.vereinsring-hoechst.de/Hefte/1986.pdf
Bei dieser Gelegenheit konnte ich mich auch länger mit Liesl Christ und ihrer Tochter Gisela Dahlem-Christ unterhalten. Wir hatten viel Spaß und die gemeinsame Idee, einmal in ihrem Frankfurter Volkstheater einen Einakter auf Hessisch und danach auf Plattdüütsch zu zeigen. Leider konnte diese Idee nicht realisiert werden.
Liesl Christ ist mir als ganz liebe Person, völlig ohne Allüren in Erinnerung.
Wolfgang Jensen
5. Juli 2014 um 20:57 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Interessant, da traten ja auch Godewind und der Zauberer Fred van Thom auf, der eigentlich Friedrich Thomsen heißt und aus Kappeln stammt. Sein Vater war der Friseurmeister Thomsen in der Querstraße.
Heino Küster
5. Juli 2014 um 21:35 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Das habe ich nicht gewusst, Wolfgang. So klein ist die Welt ;-)
Heino Küster
4. Juli 2014 um 17:53 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Bin gespannt, warum der Titel eine „(1)“ trägt…dor kümmt seker noch wat… :?:
Hartmut Stäcker
3. Juli 2014 um 21:17 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Sehr schön, Heino! Aber ausbaufähig, z.B. Plattdüütsch vörn Cockpit, Platt in de Tower („Nu bring dien Flattermann mol rünner op Lannebohn twee!), etc.
Na, ich dachte nur so… ;-)
Wolfgang Jensen
3. Juli 2014 um 22:16 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Der Pilot an den Tower: „Ratet mal, wer jetzt kommt!“
Der Fluglotse schaltet die Beleuchtung der Landebahn aus und antwortet: „Rate mal, wo wir sind!“
Heino Küster
4. Juli 2014 um 17:44 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Immer wieder gut :lol:
Wolfgang Jensen
3. Juli 2014 um 20:55 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Dieses interessante Projekt wird ja nun bald 30 Jahre. Was ist eigentlich daraus geworden, Heino?
Ingwer Hansen
4. Juli 2014 um 10:33 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Ja Wolfgang, das interessiert mich auch.
Was ist aus den prominenten Mitgliedern geworden. Zwischenzeitlich haben einige ja bereits ihren Wohnsitz auf dieser Erde verlassen. ;-) Besteht die Mitgliedschaft noch, oder war der Wille sich für den Erhalt der niederdeutschen Sprache im Hessischen einzusetzen eher gering?
Heino Küster
4. Juli 2014 um 17:42 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar
Ja, nächstes Jahr 30. Ich bin aus beruflichen Gründen (Studium) 1987 vom Vorsitz zurück getreten und habe den Verein dann aus verschiedenen anderen Gründen 1988 verlassen. Aber die Wurzeln waren gelegt, der Sprössling ist gut angewachsen und hat, wie man hört, heute noch ca. 70-80 Mitglieder.
Von Stoltenberg und Barschel bekam ich ordentliche (negative) Antworten, die ich mal einscannen werden. Ich habe 1986/1987 in der hiesigen (Kreis-)Volkshochschule „Plattdüütsch lesen“-Kurse gegeben, die gut besucht waren. Viele plattdeutsche Autoren waren zur Lesung hier, ebenso einige Liedermacher (Helmut Debus, Jochen Wiegandt, Dragseth Duo usw.). Die Eintragungen im Gästebuch kann ich auch einscannen. Mehr, wenn ich mehr Zeit habe und nicht Fußball gucken muss :lol:
admin
4. Juli 2014 um 12:23 (UTC 2) Link zu diesem Kommentar