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Mai 05 2024

Die Kürbisbande

2017 habe ich einen Beitrag über die Kürbisbande verfasst, der auch so bestehen bleibt.

Aber auf der Basis der ergänzenden Kommentare und den aktuellen Erinnerungen von Bernd Koch habe ich jetzt eine überarbeitete Fassung erstellt.

Die Kürbisbande

In den 50er-Jahren trieb in Kappeln und Umgebung die „Kürbisbande“ ihr Unwesen und versetzte viele Kappler – besonders uns Kinder – in Angst und Schrecken. Zur Vermummung trugen sie manchmal ausgehöhlte Kürbismasken.

Aber was haben sie eigentlich angestellt? Welchen Schrecken haben sie verbreitet? Woher kam unsere Angst? Alles nur Märchen?

Und die spannendste Frage: Was waren das für Leute?

So viel ist klar: die Kürbisbande gab es wirklich und es handelte sich dabei um „halbstarke“ Jugendliche, die dem Alkohol zusprachen und sich – wie andere in diesem Alter – irgendwie abreagieren mussten. Aber an mehr kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern – außer dass wohl der Sohn von Bäcker Hubert Klatt, dazugehörte, weshalb ich auch schon mal auf ein Eis verzichtete, wenn ich „Dicker“ Klatt im Café entdeckt hatte.

Zu meinem kleinen Beitrag gab es zwei weiterführende Kommentare:

Wolfgang Jensen schrieb:

Ich habe neulich einen alten Kappler (84 Jahre) nach der Kürbisbande befragt. Er meinte sich erinnern zu können, dass die sich oft in der Gastwirtschaft Bornschein in der Mittelstraße (später Charmaine) getroffen haben. Der Anführer soll aus der Ecke Kopperby/Karby gekommen sein und wurde „Kürbis“ wegen seiner besonderen Kopfform und seiner auffällig platten „Boxernase“ genannt.

Konrad Reinhardt zitierte aus der Chronik des TSV Nordschwansen-Karby:

In den Jahren 1957 und 1958 kam die Vereinstätigkeit wieder zum Erliegen.
Es war ein Glücksumstand, dass der Karbyer Bürger und Tierarzt Dr. Georg Hell mit einigen engagierten Bürgern den Verein wieder aufleben ließ. Vor allem hatten sich diese Bürger unter der Führung Dr. Hells zum Ziel gesetzt, ziellos herumstreunende Jugendgruppen, genannt „Kürbisbande“, die sich des Alkohols bedienten und die Bürger der Gemeinde in Angst und Schrecken versetzten, zu vernünftigen Aktivitäten zu bringen, wobei der Sportverein exakt die richtige Gruppierung war.

Dass sich die „Keimzelle“ der Kürbisbande tatsächlich in Karby und nicht in Kappeln befand, hat jetzt auch Bernd Koch bestätigt:

Mit dem Aufkommen von Bill Haley, Elvis und anderen Musikern wurde ein neues Zeitalter eingeläutet. Dieses war für die Generation vor uns eine Situation, mit der diese nicht fertig wurde. Anders als im „Tausendjährigen Reich“ haben sich die jungen Leute ab ca.16 Jahren zusammengetan, um zu feiern und auch die neue Musik zu hören, die ja „Negermusik“ war und zu allem Übel wollte man auch noch Nietenhosen tragen, die aus Amerika kamen.

In Kappeln trafen wir uns nach den Schularbeiten und liefen die Schmiedestrasse auf und ab. Manchmal waren wir bis zu 15 Leute. Das galt bei manchen „Bürgern“ als Zusammenrottung. Dies war die sanfte Version.

Etwas härteres entstand in Karby und Umgebung. Hier waren die jungen Leute etwas älter und überwiegend beruflich tätig. Sie hatten als Erkennungsmerkmal rote Jacken und schwarze Hosen, die Calypsohosen genannt wurden. Wer viel Geld hatte, konnte sich Lederjacken leisten. Die anderen mussten sich mit sogenannten Blousons zufrieden geben, die man in Kappeln bei Poppenhusen kaufen konnte. Herr Poppenhausen war übrigens ein Mensch mit Verständnis für junge Leute. Stets zu einem Gespräch bereit. Das alles passte aber nicht jedem Erwachsenen aus „glorreichen Zeiten“.

Ganz schlimm war es, dass auch Klaus-Harms-Schüler Mitglieder bei der Bande waren. Die Auftritte der Bande fanden in Kappeln meistens am Wochenende statt. Die Jungs kamen entweder mit Auto, Moped und auch Trecker nach Kappeln und versammelten sich in besagter Kneipe [Bornschein], die einen schlechten Ruf hatte nicht zuletzt auch dadurch, weil sich auch amerikanische Soldaten, die auf der Radarstation in Falshöft stationiert waren, dort herumtrieben und auch „Neger“. Für Bürger war dieses Lokal offiziell tabu, aber nach genügend Vorglühen in anderen Lokalen wurde auch die sogenannte „Genickschussbar“ gerne besucht. Das gleiche galt für den „Flensburger Bahnhof“, später „Leuchtturm“.

Es gab in Karby vernünftige Menschen, die sich Gedanken gemacht haben. Es waren – wie geschildert – der Tierarzt Hell und ganz besonders der Mediziner Dr. Luth, übrigens auch bekannt als Heimatschriftsteller. Soweit ich weiß, wurde ein Raum für Treffen organisiert. Dennoch wurden weiterhin Treffen in Kappeln abgehalten.

Eine sehr traurige Angelegenheit gab es 1958. Einige Leute der Gruppe, ich glaube es waren 4, fuhren mit einem Trecker nach Kappeln, waren betrunken und wollten nach Karby zurückfahren. In Ellenberg hinter dem Gasthof in der Kurve lag ja damals eine Schmiede. Die Jungs haben die Kurve nicht richtig bekommen und stürzten mit dem Trecker den Abhang hinunter. Es gab Opfer, wieviel Tote weiß ich nicht mehr. Dies sprach sich in der Stadt und auch in den Schulen herum, es gab ja noch Samstagunterricht. Wir liefen auch hin. Es waren viele Menschen dort.

Dies war auch bald das Ende der Gemeinschaft. Die besorgten Bürger von Kappeln und Umgebung konnten aufatmen, taten mir aber sehr leid, weil sie dann auf ihren Stammtischen keinen Grund mehr hatten, sich aufzuregen.

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