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Jun 21 2011

Chemiestunde 1968

SCHLEI-BOTE vom 17.05.1968Warum nicht einfach mal über ein Thema berichten, das gerade zufällig im Schulunterricht behandelt wird, aber gleichzeitig auch von allgemeinem Interesse ist: das Rauchen?!

Also haben Manni und ich nach dem Bericht über den Tag der offenen Tür einen weiteren gemeinsamen Beitrag für den SCHLEI-BOTEN vom 17.05.1968 verfasst.

 

„Feuer frei!“ – aber nur in der Chemiestunde

Der Rauch einer Zigarette enthält 1000 verschiedene chemische Substanzen

»Kappein (jg/mr). Aus dem Rahmen fiel am Mittwochvormittag der Chemieunterricht in der Unterprima der Klaus-Harms-Schule. Unter der Aufsicht von Oberstudienrat Tech untersuchten die Schüler Zigarettenrauch auf seine Bestandteile. Bereits eine Woche vorher hatten die Schüler begonnen, sich die für dieses Experiment notwendige Vorrichtung herzustellen. Am Mittwoch konnten sie dann den Versuch selbständig durchführen.

Jeder hatte sich einige Zigaretten mitgebracht. Je eine Zigarette wurde in einen Gummischlauch eingeführt und angezündet. Dann wurde der Rauch durch mehrere Behälter mit Flüssigkeiten und Chemikalien geleitet, wo er abgekühlt wurde und wo sich die verschiedenen Bestandteile des Rauches absonderten. Zum erstenmal sahen die Schüler mit eigenen Augen, wieviel Teer, Nikotin und andere Giftstoffe der Rauch einer einzigen Zigarette enthält. Alle waren sehr beeindruckt.

SCHLEI-BOTE - ChemiestundeNatürlich konnte der Versuch in zwei Stunden nicht so weit geführt werden, daß man die Giftstoffe des Tabakrauches auch noch quantitativ, also oder Menge nach untersuchte. Hierüber und über viele andere interessante Fragen, die das Rauchen betreffen, gibt eine Broschüre Auskunft, die von Dr. med. Christel Schultze-Rhondorf verfaßt und im Auftrage des Bundesministers für Gesundheitswesen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegeben worden ist. Diese Broschüre wurde von Oberstudienrat Tech für die Schüler der Unterprima angefordert. Das Heftchen trägt den Titel, „Was stimmt nun eigentlich?“ Es informiert den Leser allgemeinverständlich und erstaunlich umfassend über alles, was einen in Zusammenhang mit dem Rauchen interessiert.

Zunächst einmal erfährt man, wieviel Menschen überhaupt rauchen: fanden sich 1964 unter 100 Bundesbürgern (über 15 Jahre) 21 weibliche und 68 männliche Raucher, so zählten sich 1966 schon 24 von 100 Frauen (insgesamt etwa 5,8 Millionen) und 74 von 100 Männern (insgesamt etwa 15,8 Millionen) zu den Rauchern. 1966 gab es also in der Bundesrepublik Deutschland über 21 Millionen Raucher. 101,6 Milliarden Zigaretten verbrauchten sie allein 1966. In 2214 Stück pro Kopf (über 15 Jahre) verrauchten sie die „besten Tabake der Welt“ aus mehr als 230 Anbaugebieten.

In einer Repräsentativumfrage hat man versucht, die Anzahl der Raucher unter den Schülern herauszufinden. Zehn der Befragten gaben einen leeren Fragebogen ab. Die anderen 6398 Schüler waren interessiert und ernsthaft bei der Sache. Von den 17- bis 18jährigen männlichen Jugendlichen sind es in der Stadt 58 Prozent und auf dem Land 62 Prozent, von den Mädchen gleichen Alters in der Stadt 52 Prozent und auf dem Land 41 Prozent, die zur Zigarette greifen. Von den 14- bis 15jährigen Schülern sind es in der Stadt 41 Prozent und auf dem Land 45 Prozent, die rauchen; von den gleichaltrigen Schülerinnen in der Stadt 33 Prozent und auf dem Land 12 Prozent.

Die Schädlichkeit des Rauchens ist mehr oder weniger bekannt, und zwar schon bei den 10- bis 14jährigen. Aber weshalb das Rauchen schädlich ist, wissen die wenigsten. Die meisten Menschen diskutieren darüber, ohne zu wissen, wie der Tabak wirkt. Grundsätzlich sollte man sich erst einmal dies klarmachen: eine Zigarette (= 1 g Tabak) entwickelt – völlig verbrannt – etwa 2 Liter Rauch (= verbrannter Tabak und verbranntes Papier).

Beim Rauchen einer einzigen Zigarette atmen wir etwa 1000 – in Worten Eintausend – verschiedene chemische Substanzen ein, von denen hier nur Nikotin, Kohlenoxyd sowie verschiedene Teerstoffe erwähnt seien. 20 bis 80 Prozent dieser 1000 Stoffe dringen bis in die Lungen des menschlichen Körpers ein. Die Teerstoffe setzen sich an bestimmten Stellen in der Luftröhre ab. Bei einem Raucher, der täglich 20 Zigaretten raucht, dringen so in einem Jahr bis zu 290 g in das Lungengewebe ein. Das Nikotin wird sowohl über die Lungen als auch über die Mundschleimhaut in den Blutkreislauf aufgenommen; und das Kohlenoxyd gelangt als Gas bis in die Lungenbläschen und tritt dort in das Blut über.

Diese und viele andere Tatsachen müssen heutzutage dem Raucher, und besonders dem Schüler, der vor der Frage steht, ob er sich das Rauchen angewöhnen soll oder nicht, immer wieder vor Augen gehalten werden. So war es auch äußerst angebracht und begrüßenswert, Schülern einmal persönlich die Gelegenheit zu geben, sich in chemischen Experimenten mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen, wie es Oberstudienrat Tech am Mittwoch in der Unterprima der Klaus-Harms-Schule tat.«

Bildergalerie – Chemiestunde 1968

Fotos: Manfred Rakoschek