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Nov 23 2018

Hallig Hooge 1968 (2)

Vor 50 Jahren

Pfingstferien auf Hallig Hooge 1968

Ein Fototagebuch von Achim Gutzeit

~ Vorwort ~

Meine Pfingstferien 1968 verbrachte ich zusammen mit Manfred Rakoschek auf Hallig Hooge. Gemeinsam mit zehn anderen Teilnehmern am Fotolehrgang für Fortgeschrittene, der vom Jugendhof Scheersberg veranstaltet wurde, wollten wir Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt der Hallig auf dem Film festhalten.

Trotz der bemessenen Zeit, die uns zur Verfügung stand – es waren leider nur 4 Tage – wurden meine Pfingstferien durch diese Fahrt zu einem wahren Erlebnis. An dieser Stelle möchte ich allen meinen Dank aussprechen, die dazu beigetragen haben, welche da sind:

der Jugendhof Scheersberg, der die Exkursion veranstaltete,

die Kulturmark der Klaus-Harms-Schule, die uns die Hälfte der Fahrtkosten und der Teilnahmegebühr erstattete,

die Familie Carl Binge, die für die Unterbringung sorgte und uns aufs beste bewirtete

und nicht zuletzt:

alle Lehrgangsteilnehmer, die uns kameradschaftlich mit Rat und Tat zur Seite standen.

Kappeln, den 19. August 1968

Joachim Gutzeit

~ Halligdoot ~

De Sömmer is öber de Hallig gahn un het vel Gäst mitbröcht. Se wüllt de „romantische Welt“ ok maal kennenlehrn un vun de Halligminschen wat hörn. Een weer nu dortwüschen, de harr butenlands wat vun Störm un Floot lest. Nieschierig, as nu de Gäst eben sünd, fraagt he ok na dütt un dat un höllt de Lüüd in’e Arbeit up. Steiht he nu bi’n Halligbuur, de graad bi’n Sweln is.

„Sagen Sie, woran ist denn ihr Vater gestorben?“
„He bleew up See.“
„Und Ihr Großvater?“
„Bleew up See.“
„Und Ihr Bruder ist doch auch schon tot…“
„Ja“, seggt de Halligbuur, „den hebbt de Kurgäst dootfraagt.“

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Von Kappeln fuhren wir am Nachmittag des letzten Schultages vor den Pfingstferien mit dem Bus nach Flensburg, von dort nach Bredstedt und dann nach Schlüttsiel, wo wir die restlichen Lehrgangsteilnehmer bereits wartend antrafen, fast alle eingehüllt in dicke Jacken, feste, warme Hosen, Pudelmützen und Gummistiefel. Ich dagegen trug meine bequemsten Schuhe, eine dünne Sommerhose, ein noch dünneres Hemd und eine leichte Windjacke, die ich der Bequemlichkeit halber auch noch aufgeknöpft hatte. Nachdem wir uns vergewissert hatten, daß es sich bei den zwischen Koffern und Fototaschen herumstehenden eskimonichtunähnlichen Wesen tatsächlich um unsere Fotogruppe handelte und sie begrüßt hatten, kletterten wir alsbald auf das bereits wartende Schiff und tuckerten auf Kurs Hooge davon.

Obwohl ich mir in Anbetracht der anderen Lehrgangsteilnehmer meine Jacke bereits zugeknöpft hatte, fing ich an Bord des Schiffes auf einmal schauderlich an zu frieren, zumal ich mich mit Manfred und einigen anderen auf das doch immerhin in beträchtlichem Maße luftige Achterdeck begeben hatte. Das hatte ich nun von meinem Optimismus! Wie ich nun einmal bin, hatte ich als selbstverständlich vorausgesetzt, daß während unseres Hooge-Aufenthalts nur strahlender Sonnenschein herrschen würde. In meinem jugendlichen Leichtsinn sparte ich deshalb, um nicht soviel überflüssigen Ballast mit mir herumschleppen zu brauchen, in erster Linie an warmen Kleidungsstücken. So saß ich nun mit schlotternden Zähnen auf dem Achterdeck und klapperte am ganzen Körper.

Als alles nichts helfen wollte, versuchte ich zwischen biertrinkenden Halbstarken und möwenknipsenden Fotoamateuren meinen Geist wie meinen Körper in autogenem Training. Letzteres besteht darin, daß man sich möglichst gelockert hinsetzt, seine Hände auf die Oberschenkel legt und sich dann einzig und allein auf die rechte konzentriert. Wenn diese ganz schwer geworden ist, muß man dann plötzlich beide Hände kräftig zusammenfalten und sich schwungvoll von seinem Platz erheben. Auf diese Weise ist man im Nu wieder völlig frisch, und Zahnschmerzen, Migräne, Muskelkater, Kälte und, was es sonst noch an mehr oder weniger unangenehmen Zuständen gibt, werden durch das autogene Training ohne große Mühe aus dem Körper vertrieben. So jedenfalls stand es in einer Illustrierten, die ich einige Tage zuvor beim Friseur gelesen hatte, als ich mir meinen jährlichen Sommerschnitt verpassen ließ.

Doch wo war ich stehengeblieben…? Ach ja, ich versuchte mich also in autogenem Training. Zuerst setzte ich mich ganz gelockert auf eine Bank, auf der sich Herr Ohmsen und außerdem noch einige Taschen und Koffer befanden, die nicht dort hingehörten, ich packte die Sachen ein bißchen zusammen und schuf mir auf diese Art einen Sitzplatz, auf dem ich mich – wie ich bereits erwähnte – ganz gelockert niederließ. Ich legte beide Hände auf die Oberschenkel und machte mich ans Werk. Ich konzentrierte mich … und dann auf meine rechte Hand. Das letzte war leichter gesagt als getan, meine Hände waren nämlich so kalt, daß ich sie gar nicht mehr spürte. Um sie zu erwärmen, hauchte ich sie abwechselnd an, bis ich ganz aus der Puste war, und rieb sie (die Hände) dann so lange gegeneinander, bis ich ein schwaches Kribbeln in den Fingern verspürte.

Jetzt konnte es aber losgehen! Ich setzte mich wieder ganz gelockert auf die Bank, legte die angewärmten Hände auf die Oberschenkel und begann von neuem, mich zu konzentrieren. Hallig Hooge - Pfingsten 1968Da kam Manfred und berichtete mir, daß er schon einen halben Film mit Möwen vollhatte. Schließlich gelang es mir aber doch, den gesamten Kontakt mit meiner Umwelt abzubrechen und endlich in meinem Vorhaben fortzufahren. Noch einmal setzte ich mich ganz gelockert hin, legte beide Hände auf die Oberschenkel und konzentrierte mich auf meine – zum Glück noch nicht wieder allzu stark abgekühlte – rechte Hand. Sie wurde immer schwerer, und bald war sie so schwer, daß ich sie kaum noch tragen konnte. Da faltete ich beide Hände kräftig zusammen und sprang von meinem Platz auf. Zu meinem Verdruß mußte ich aber leider feststellen, daß mir trotz meiner Mühe um keinen Deut wärmer geworden war. Im Gegenteil! Weil ich solange stillgesessen hatte, fror ich nun noch stärker als vorher. Als ich mich auf die Bank zurücksetzen wollte, um mich von dem Schock zu erholen, hätte ich mich beinahe auf einer mittelälterlichen Dame niedergelassen, die inzwischen meinen Sitzplatz eingenommen hatte. Das konnte auch nur mir passieren! Ich fror wie ein Neger in der Tiefkühltruhe und überlegte krampfhaft, wie dem abzuhelfen war. Endlich entschloß ich mich, ins Bordrestaurant zu gehen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich machte mich sofort auf den Weg, als Manfred mir auch schon in denselben trat und mir mitteilte, daß er nun schon fast den ganzen Film mit Möwen vollhatte. Ich schenkte ihm ein anerkennendes Lächeln und setzte dann unverzüglich meinen Weg fort – geradewegs gegen den hervorstehenden Bauch eines etwa 50jährigen vom Wirtschaftswunder nicht unbetroffenen Herrn, der im selben Moment aus der Tür des Restaurants trat. Obwohl ich mich höflich entschuldigte – eigentlich hatte er genauso viel Schuld wie ich, aber ich wollte mich gar nicht erst mit ihm streiten, weil mir mein Kaffee im Moment viel wichtiger war als eine solche Lapalie – obwohl ich mich also höflich entschuldigte, fing er laut an zu fluchen. Das sei die heutige Jugend, keine Augen mehr im Kopf! Früher hätte es… Mehr hörte ich nicht, weil ich die Tür zum Restaurant von innen schloß. Nach einigen Minuten Wartezeit kam die Kellnerin, um mich zu bedienen. Ich bestellte eine Tasse Kaffee. Es täte ihr furchtbar leid, sagte sie, aber es sei ihr leider nicht möglich, noch vor der Ankunft auf Hooge kochendes Wasser zuzubereiten! Zwei Minuten später legte das Schiff auf der Hallig an, und ich ging völlig deprimiert an Land.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

„Nach der Ankunft am 31.5. auf Hallig Hooge um 19.00 Uhr werden Sie mit einem Pferdewagen abgeholt und weiter zur Warft gefahren. Für die Unterbringung sorgt die Familie Karl Binge (Schulwarft).“

So stand es auf der Einladung, die wir vom Jugendhof Scheersberg erhalten hatten.
Herr Binge erwartete uns bereits, von einem Pferdewagen konnte ich allerdings nichts entdecken. Ein Wagen war zwar da, aber dem war ein Trecker vorgespannt. Außerdem war er nicht als Transportmittel für uns, sondern einzig und allein für das Gepäck gedacht. Zum Glück war aber Herr Binge mit seinem Opel da, und für Manfred und mich war gerade noch Platz. So brauchten wir wenigstens nicht das Stück von der Brücke bis zur Schulwarft (der richtige Name ist: Ockelützwarft) zu Fuß zu gehen. Im Auto wurde mir endlich etwas wärmer, was in Anbetracht der Enge, die in demselben herrschte, nicht weiter verwunderlich war.

Nachdem wir auf der Warft angelangt waren und auch die anderen, die den Weg zu Fuß zurücklegen mußten, endlich eintrafen, wurde uns das Abendessen serviert. Es schmeckte köstlich, alles war reichlich, und nach 5 bis 7 Tassen friesischen Tees war ich sowohl physisch als auch psychisch wieder völlig auf dem Damm.

Herr Schröder hatte uns vor dem Abendbrot noch einmal offiziell begrüßt und uns für unser Kommen gedankt. Nach dem Essen wies er dann mit einigen Worten darauf hin, wie er sich den ungefähren Verlauf unserer Exkursion vorstellte. Zum Tagesabschluß machten wir dann noch einen kleinen Spaziergang an der Küste entlang, wo wir bereits die ersten Austernfischergelege entdeckten. Als wir gegen zehn Uhr zurückkehrten, legten wir uns schlafen. Manfred und ich hatten ein Zimmer ganz für uns allein, das mit zwei Betten, einem Schrank, einem Tisch und zwei Stühlen ausgestattet war.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Am ersten Juni herrschte strahlender Sonnenschein. Nach dem Frühstück machten wir uns auf Motiv-, sprich: Nestersuche. Zusammen mit Manfred durchstreifte ich die Wiesen der näheren Umgebung. Austernfischer gab es genug, aber Gelege fanden wir in dem hohen Wiesengras vorerst noch keine. Einen Erfolg erzielten wir aber doch, indem wir nämlich unsere erste Angst gegenüber den schreiend um unsere Köpfe kreisenden Vögel überwanden, nachdem wir nämlich festgestellt hatten, daß sie völlig harmlos waren. Wir bemerkten, daß sie uns nur dann angriffen – so sah es jedenfalls aus –, wenn wir in eine bestimmte Richtung gingen, und mit großer Wahrscheinlichkeit war das doch wohl die Richtung ihrer Gelege. Diese Erscheinung wollten wir ausnutzen, doch konnten wir auch bei größter Anstrengung an diesem Vormittag keine Gelege entdecken. Dafür fotografierten wir alles andere, was sich uns bot:

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Nach dem Mittagessen fanden wir dann endlich das erste Austernfischergelege.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Am nächsten Vormittag, es war Pfingstsonntag, entdeckten wir dann noch eine Menge weiterer Gelege, alle enthielten 2, 3 oder 4 Austernfischereier.

Rotschenkelgelege dagegen waren wesentlich schwerer aufzufinden!

Als wir endlich eines entdeckt hatten, berichteten wir Herrn Schröder davon, der es kaum erwarten konnte, Aufnahmen vom Rotschenkel zu machen. Stolz führten wir ihn zu der Stelle, die wir gut gekennzeichnet hatten. Sofort errichtete er vor dem Nest sein Indianerzelt, das sich bei jedem Windstoß am liebsten davongemacht hätte. Wir beobachteten ihn aus geraumer Entfernung und fingen herzlich an zu lachen, als plötzlich das Zelt über ihm zusammenbrach. Er teilte uns hinterher mit, daß es sich nicht um ein Rotschenkel-, sondern nur um ein Lerchennest gehandelt hätte und er deshalb sein Zelt abgebrochen hätte. Das klang zwar etwas wie eine Ausrede für das umgefallene Zelt, aber späterhin sahen wir ein, daß es sich tatsächlich nur um ein Lerchennest gehandelt haben mußte.

Nun waren die Nester vielleicht ebenso selten und ebenso schwer zu entdecken wie Rotschenkelgelege, aber leider waren sie als Fotoobjekte undiskutabel, weil die kleinen Lerchen beim Brüten auch aus nächster Nähe kaum in dem hohen Gras zu erkennen waren.

Auch am Sonntag war das Wetter geradezu ideal, und ich sah mich in meinem Optimismus nun doch wieder bestätigt. Herr Ohmsen überließ uns ein Zelt, das er auf einer Muschelbank auf einer Wiese errichtet hatte. Aus dem Zelt konnte man gleich zwei Gelege fotografieren, nämlich das einer Zwergseeschwalbe und das eines Sandregenpfeifers.

Wir durften auch Herrn Ohmsens Kamera mit seinem Zweihundertvierziger benutzen und hatten keine große Mühe, in kurzer Zeit jede Menge Aufnahmen zu machen. Als jedoch mein erster Film nach beinahe 50 Auslösungen immer noch nicht voll war, stieg ein schrecklicher Verdacht in mir auf, der sich dann leider auch sofort bestätigen sollte: der Film war vom Anfang an nicht transportiert worden. Als ich das feststellte war ich ziemlich bedrückt, machte dann schnell noch drei Aufnahmen von der Schwalbe, damit ich wenigstens etwas hatte, und überließ dann Manfred den Apparat.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Am Nachmittag starteten Manfred und ich mit Kamera und Zelt von Herrn Ohmsen, um brütende Austernfischer zu fotografieren. Ein Nest hatten wir bald ausfindig gemacht, aber mit dem Aufbauen des Zeltes war das gar nicht so einfach. Zu unserer Entschuldigung möchte ich anführen, daß wir noch nie zuvor so ein Zelt aufgestellt hatten und daß unser redliches Bemühen zudem noch durch einen zünftig wehenden Wind erheblich beeinträchtigt wurde. Nach einer guten halben Stunde stand das Zelt aber doch, wenn ich auch, während Manfred fotografierte, immer aufpassen mußte, daß es weder zusammenbrach noch wegwehte. Aber was schreibe ich denn da…?! „Während Manfred fotografierte“ ist wohl nicht ganz richtig ausgedrückt. Was sollte er denn wohl fotografieren? Wir saßen zwar direkt vor einem Gelege, Austernfischer jedoch waren in einem Umkreis von mindestens 30 Metern um das Zelt nicht zu entdecken. Um uns die Wartezeit zu verkürzen, spielten wir eine Partie „Schummeln“. In weiser Voraussicht hatte ich zu Hause Skatkarten mit in meine Fototasche gelegt. Weil „Schummeln“ nun aber ein Spiel ist, zu dem mindestens drei Spieler gehören, Manfred und ich dagegen nur zwei waren, war es von vornherein ein aussichtsloses Unterfangen, das Spiel je im Leben zu einem Abschluß zu bringen. Nicht etwa, weil ein Austernfischer sich dem Gelege näherte, sondern einfach, weil ich keine Lust mehr hatte, brachen wir das Spiel ab. Während ich mir in einiger Entfernung vom Zelt ein wenig die Füße vertrat, wartete Manfred weiterhin geduldig – aber trotzdem erfolglos – auf die oder den für das Gelege verantwortlichen Austernfischer. Am späten Nachmittag brachen wir das Zelt ab und machten uns auf den Heimweg.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Am dritten Juni wollten wir früh aufstehen und den Sonnenaufgang fotografieren. Eigentlich hätten wir das bereits die beiden Tage davor wollen, aber Manfred hatte beide Male verpennt, zumal wir keinen Wecker besaßen. Am dritten wurde ich rechtzeitig wach, und unserem Unternehmen stand nichts mehr im Wege.

Dachten wir!

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Die Sonne ging zwar auf, aber gleichzeitig bewölkte der Himmel und kündigte uns zum ersten Mal während unseres Aufenthalts schlechtes Wetter an.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Bald verschwand die Sonne ganz hinter den Wolken. Ich hatte mich nicht besonders warm angezogen und fing deshalb bald an zu frieren. Da es mit dem Wetter doch nichts rechtes zu werden schien, ging ich zurück zur Warft und legte mich noch etwas hin. Zum Frühstück traf auch Manfred auf der Warft ein. Er hatte an diesem Morgen auf der anderen Seite der Hallig ein bißchen mit dem Teleobjektiv von Herrn Ohmsen herumexperimentiert. Mittags wurde das Wetter zusehends besser, und wir nahmen uns für den Nachmittag vor, noch einmal auf den Austernfischer anzusetzen.

Zusammen mit Herrn Ohmsen zogen wir los. Natürlich erzählten wir ihm nicht, wie wir uns am Tag zuvor mit dem Zelt abgemüht hatten. Wir wollten uns nicht blamieren, nachdem wir Herrn Ohmsen gesagt hatten, wir könnten mit einem Zelt umgehen, als wir uns es bei ihm ausgeliehen hatten.

Wir paßten gut auf, auf welche Weise er es aufstellte und gaben ihm einige Hilfestellung. Wenn man es richtig anfing, so sahen wir, konnte man das Zelt auch bei stärkerem Wind standhaft errichten. Das Wetter war nicht besonders, nur ab und an kam die Sonne einmal kurz zwischen den Wolken hervor. Manfred und ich ließen Herrn Ohmsen allein im Zelt und legten uns vierzig Meter weiter ins Gras, von wo aus wir das Zelt und die Vögel beobachteten.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Als Herr Ohmsen einen Film voll hatte, winkte er uns zu, und wir begaben uns zu ihm ins Zelt, nachdem ich schnell noch eine Nahaufnahme vom Gelege gemacht hatte.

Da es ab und zu ein wenig regnete, blieb Herr Ohmsen bei uns im Zelt. Es war zwar ein bißchen eng, denn für drei Personen plus deren Fotoausrüstungen war das kleine Zelt ja nicht gedacht, aber mit etwas gutem Willen ließ es sich schon aushalten. Schnell spulte ich einen Film in die Kamera, als auch schon ein Austernfischer sich dem Nest näherte. Etwas scheu kam er angetrippelt, blieb dann plötzlich stehen und fing an zu schreien. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, setzte er dann seinen Weg aber doch fort, blieb kurz vor seinem West noch einmal stehen und ließ sich dann zum Brüten auf die vier Eier nieder, die ziemlich ungeschützt auf den Steinen der Uferböschung lagen. Ich machte noch einige Aufnahmen, während der Vogel auf dem Nest saß, und bannte ihn in den verschiedenen Posen auf den Film.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Plötzlich gab es einen Wolkenbruch. Das Pladdern auf der Zeltwand wurde immer lauter, doch es kam kein Tropfen hindurch. Mit dem Wetter wurden auch die Lichtverhältnisse immer schlechter, der Austernfischer aber blieb ruhig auf seinen Eiern sitzen, um sie vor Nässe und Kälte zu bewahren. Das war immerhin etwas. Schnell schraubte ich das Teleobjektiv von der Kamera ab und setzte zwischen beide den Konverter, den Herr Ohmsen mitgenommen hatte. Mit doppelter Brennweite (480mm) machte ich dann trotz der schlechten Lichtverhältnisse noch eine Aufnahme von den Regentropfen, die wie Perlen an dem Gefieder des Austernfischers herunterrollten. Dann war mein Film voll. Ich war sehr zufrieden mit der Ausbeute an diesem Nachmittag und ließ Manfred an die Kamera.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Auch Herr Ohmsen machte noch einige Schnappschüsse von Regentropfen an Schnabel und Gefieder des Vogels, bis der Regen endlich etwas nachließ. Dann packten wir unsere Sachen zusammen, brachen das Zelt ab und machten uns auf den Heimweg. Wir hatten Glück, daß der Regen jetzt fast völlig aufhörte. Sonst wären wir ganz schön durchnäßt auf der Warft angekommen. So aber blieb es bei nassen Füßen, die sich wegen des nassen, hohen Grases kaum vermeiden ließen.

Am späten Nachmittag wurde das Wetter wieder besser, und so blieb es uns nicht versagt, an diesem Abend im Cafe Seehund auf der Backenswarft noch einen echten friesischen Teepusch zu uns zu nehmen. Als wir zu unserer Warft zurückkehrten, bat ich mir von Herrn Ohmsen noch einmal seinen Apparat und sein Zelt aus. Zusammen mit Manfred wollte ich am nächsten Morgen Flußseeschwalben fotografieren, deren Gelege wir tags zuvor auf einer Wiese entdeckt und gekennzeichnet hatten. Ich hoffte, daß wir am Dienstagmorgen rechtzeitig aufwachen würden, es war schließlich unser letzter Tag auf Hooge. Obwohl wir erst gegen halb zwölf ins Bett gegangen waren, wachte ich am nächsten Morgen um viertel nach drei auf und weckte Manfred. Zum Glück hatten wir unser Zimmer für uns beide ganz allein, so daß wir niemand durch unseren nächtlichen Aufbruch störten. (Jochen behaupte zwar, wir hätten einen fürchterlichen Lärm gemacht, aber ihn nahmen wir sowieso nicht ernst.)

Noch vor Sonnenaufgang zogen wir los. Als wir an einem Gelege angelangt waren, machten wir uns unverzüglich daran, das Zelt zu errichten. In Anbetracht der um unsere Köpfe kreisenden Seeschwalben benötigten wir diesmal nur zehn Minuten dazu. Wir warteten eine ganze Zeit. Da wir nur knappe vier Stunden geschlafen hatten, da ich keine Karten bei mir hatte und da wir hockend im Zelt sitzen mußten, weil das Gras ziemlich naß war, war diese Wartezeit recht anstrengend. Zuerst sprachen wir gar nicht miteinander, aber dann fing Manfred bald an, auf mich einzureden, wir sollten das Zelt lieber an einer anderen Stelle aufbauen, aber ich hörte nicht auf ihn. Ich konnte seine Ungeduld verstehen, denn schließlich war er nur mitgekommen, um mir Gesellschaft zu leisten. Fotografieren wollte ich. Die Spannung im Zelt ließ nach, als ich mich schließlich einfach in das nasse Gras setzte und Manfred meinem Beispiel folgte. Ein nasser Hosenboden war uns lieber als ein Muskelkater in den Oberschenkeln, denn es war wirklich fürchterlich strapazierend, wie wir vorher gehockt hatten. Jetzt verging die Zeit viel schneller, und es wurde direkt interessant, als die Seeschwalben die ersten ängstlichen Versuche unternahmen, auf dem Nest zu landen. Endlich wurde dann unsere Geduld belohnt.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Nachdem ich etwa fünfzehnmal den Auslöser betätigt hatte, hörte ich auf, und wir brachen das Zelt ab. Wir waren verdammt hungrig nach dieser morgendlichen Exkursion und kamen gerade rechtzeitig zum Frühstück auf der Warft an. Nach dem Frühstück wollten Manfred und ich uns noch einmal auf Austernfischerjagd machen. Wir errichteten das Zelt vor einem Gelege, gaben es aber, nachdem nach einer Dreiviertelstunde immer noch kein Austernfischer in Sicht war, auf und brachen das Zelt hurtig ab.

Vor einem anderen Gelege stellten wir es von neuem auf. Wir waren jetzt schon so routiniert, daß wir für den Zeltaufbau und -abbau zusammen nur noch knappe zehn Minuten benötigten. Aber auch an dem zweiten Nest hatten wir kein Glück. Mit aufgesetztem Konverter gelang es mir immerhin noch, einen in ziemlicher Entfernung vorbeilaufenden Austernfischer und eine sich putzende Seeschwalbe aufzunehmen.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Nach dem Mittagessen hatte dann unser letztes Stündchen auf Hooge geschlagen. Wir mußten uns auf die Heimreise machen. An der Brücke beobachteten wir noch einen Hubschrauber der Bundesmarine, und dann bestiegen wir das Schiff, welches kurz darauf ablegte.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968Hallig Hooge - Pfingsten 1968

Als wir und von der Brücke entfernten, warf ich ihr noch einen letzten Blick (durch den Sucher meiner Kamera) zu. Etwas wehmütig dachte ich noch einmal an die herrlichen Tage zurück, die ich auf der Hallig erlebt hatte. Der Abschied fiel mir wirklich nicht leicht. Als bleibende Erinnerung an meine Pfingstferien auf Hallig Hooge legte ich im August 1968 diese Mappe an. Diese Arbeit machte mir großen Spaß, es kam mir vor, als erlebte ich meine Pfingstferien noch einmal. Und ich hoffe, daß ich das gleiche Gefühl haben werde, wenn ich in späteren Jahren diese Mappe einmal wieder zur Hand nehme.

Hallig Hooge - Pfingsten 1968

1 Kommentar

  1. Eckehard Tebbe

    Wow. Congratulations! Was für eine Fleißarbeit. Hat sich gelohnt. Detailliert geschrieben, tolle Fotos. Ihr wart in dem Breich ja schon immer profimäßig unterwegs. Und hier auch um manche Erfahrungen reicher. Bin ganz sicher, dass du die Mappe hin und wieder mit Stolz und vielleicht sogar etwas Wehmut aufschlagen wirst. Es ist aber sicher nicht euer einziges Highlight dieser Art. Sicher quillt das Archiv über vor ähnlichen Erinnerungen.

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