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Mrz 13 2022

Kappuzzle® 738 – St. Gereon, Ellenberg

Ein weiteres Foto von Fritz Reinhardt, diesmal aufgenommen 1974.

Was war das für ein Gebäude?

Kirche St. Gereon

Kappuzzle® 738

1972 wurde in Ellenberg die katholische Kirche St. Gereon eingeweiht.

Seit 2005 wird das Gebäude in der Ellenberger Straße 27 als freies Begegnungszentrum (BeZ) genutzt.

Ellenberg - Katholische Kirche St. Gereon - Foto: Fritz Reinhardt (1974)Ellenberg - „Tatzelwurm“ - Foto: Fritz Reinhardt (1974)

Vor meiner Recherche zu diesen Fotos wusste ich nichts von einer katholischen Kirche in Ellenberg.

Wer ist St. Gereon? Was hat er mit Ellenberg zu tun?

Und was hat es mit der geschmiedeten? Skulptur an der Außenfassade auf sich, welche dort schon lange entfernt wurde?

Der Legende nach war Gereon Offizier der thebäischen Legion. Die wurde vom Kaiser Maximian in die nördlichsten Gebiete des Römischen Reichs entsandt, um das Christentum zu bekämpfen. Nun waren Gereon und seine 318 Gefährten aber selber Christen und weigerten sich, Glaubensbrüder zu töten. Ihre Standhaftigkeit kostete sie am 10. Oktober 304 in Köln allesamt den Kopf.

Es gibt mehrere abweichende Versionen dieser Geschichte, die aber nichts daran ändern, das der christliche Märtyrer dann als Heiliger verehrt wurde.

Als Stadtpatron Kölns ist der Name Gereon dort sehr geläufig. Nicht nur die Kirche St. Gereon, einer der ältesten noch bestehenden Sakralbauten in Deutschland, sondern auch einige Viertel, Straßen und Einrichtungen sind nach ihm benannt.

Die Bedeutung seines Namens ist allerdings – wie auch Gereons Geschichte – ungewiss. Die verbreitetste Version ist, dass er sich vom griechischen Wort „geron“ ableitet, womit Gereon etwa „Der Greise“, „Der Ältere“ oder „Der Weise“ bedeuten könnte.

Überaus lesenswerte! und kurzweilige Ausführungen dazu hat 2017 anlässlich des Serienstarts von „Berlin, Babylon“ mit dem Kölner Kommissar Gereon Rath ein Namensvetter für die TAZ verfasst: „Gereon goes Babylon: Ich trage einen großen Namen (noch)“ von Gereon Asmuth.

Nun aber zur Frage: Warum wurde die Ellenberger Kirche nach dem Kölner benannt?

Nach meiner Vermutung könnte es mit seinem „zweiten Job“ zusamenhängen, denn St. Gereon ist nicht nur der Schutzpatron von Köln, sondern auch der Schutzpatron der Soldaten – und davon gab es 1972 in Ellenberg jede Menge. Und der Anker unten am Kreuz symbolisiert vielleicht die Verbindung zwischen Kirche und Marine.

Gestern habe ich dank Frau Carmen Hoeck unerwartet einen Einblick in die Chronik der Kappelner Gemeinde „St. Marien“ erhalten, aus der ich hier (komprimiert) zitiere.

Das ist auch ein Stück Heimat- und Sozialgeschichte, denn die ganze Marine-Ansiedlung und -Auflösung haben in Kappeln unauslöschlich ihre Spuren hinterlassen.

„St. Gereon“ in Kappeln-Ellenberg

Mit dem Bau dieser Kirche wurde 1970 begonnen. Bauherr war die Kirchengemeinde Kappein, finanziert wurde der Kirchenbau aus Mitteln des Verteidigungsministeriums der Bundesrepublik Deutschland.

Dennoch gab es im damaligen Kirchenvorstand heftige, kontroverse Diskussionen über die Notwendigkeit, in der Diaspora (Anteil der Katholiken 3 bis 5 %) in relativ geringer Entfernung zur vorhandenen katholischen Kirche, eine weitere Kirche zu bauen, anstatt die vorhandene Kirche zu erweitern, wie es später ja auch geschehen ist. Die Auseinandersetzungen gingen soweit, dass einige Kirchenvorstandsmitglieder von ihren Ämtern zurücktraten.

Was veranlasste also die Bundeswehr und die Militärseelsorge, unter den gegebenen Umständen in Kappeln-Ellenberg eine neue katholische Kirche für die Militärgemeinde zu bauen? Wenn man zur damaligen Zeit die spätere Entwicklung hätte voraussehen können, scheint diese Frage mehr als berechtigt zu sein. Aber man konnte damals nicht einmal im Ansatz ahnen, dass bereits seit Anfang der neunziger Jahre kein Militärseelsorger mehr in „St. Gereon“ tätig sein würde, dass die Militärgemeinde danach „St. Marien“ zugeordnet würde und schließlich im Sommer 2006 die letzten Marineeinheiten aus Kappeln, genauer gesagt dem Marinehafen Olpenitz, nach Kiel verlegt würden?

Aber beginnen wir den Rückblick dort, wo, wann und wie alles begann:

An der Schleimündung wurden 1959 für den Marinestützpunkt Olpenitz (Ostseeflotte) und 1964 für die Marineartillerieschule Ellenberg die Bauarbeiten begonnen, gleichzeitig eine Bundeswehrsiedlung für über 800 Soldatenfamilien gebaut. Die Bevölkerungszahl stieg hier von 483 Einwohnern im Jahre 1945 auf 5.285 im Jahre 1972! Von den hinzuziehenden Marinesoldaten mit ihren Familien war fast ein Drittel katholisch.

Die evangelische Kirche hatte schon 1968 den Bau ihrer „Auferstehungskirche“ vollendet und in echter ökumenischer Gesinnung den Katholiken seither Gastrecht gewährt.

Am 14./15. Januar 1970 zog als erster Kath. Militärpfarrer Franz Stenzaly nach Ellenberg, am 1. Februar 1970 wurde die Dienststelle „Der Katholische Standortpfarrer Ellenberg“ eingerichtet.

Mit dem Bau der Kirche nach den Plänen der Architekten Bunsmann, Scharf und Rau wurde am 1. April 1970 begonnen (manche sprachen damals von einem „Aprilscherz“). Von Fregattenkapitän Faßbender, einem gebürtigem Kölner, stammte der Vorschlag, die Kirche dem Heiligen St. Gereon zu weihen, der nach der Überlieferung im 4. Jahrhundert als Soldat der römischen Legion im Kölner Raum sein Leben für den christlichen Glauben hingegeben hat.

Fregattenkapitän Faßbender gewann die Kölner Gemeinde „St. Gereon“ als Patin für die neue Kirche. Die Kölner stifteten aus den Trümmern ihrer im Krieg zerstörten, inzwischen wieder aufgebauten Kirche, einen gotischen Stein (13. Jahrhundert), der als Konsole für den neuen Tabernakel verwendet wurde.

Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nach der Entwidmung der Kirche „St. Gereon“ dieser historisch so wertvolle Stein, mit dem sich auch manche positive und emotionale Erinnerung der ehemaligen „St. Gereoaner“ an ihre Kirche verbindet, jetzt in unmittelbarer Anbindung an den Altarraum in der Pfarrkirche in Kappeln, unter der eindrucksvollen Ikone mit der Muttergottes und dem Jesuskind, eine neue Verwendung gefunden hat. Der Tabernakel hingegen befindet sich auf Anregung von Pfarrer Gehrmann in der Kapelle der Marineschule in Flensburg-Mürwik.

Bei der Planung von „St. Gereon“ war das Katholische Militärbischofsamt davon ausgegangen, dass vor allem eine junge Gemeinde nicht nur ein Gotteshaus braucht, sondern auch geeignete Räume für Gemeindefeiern, Vorträge, aber auch Familienfeiern; denn in den seinerzeit noch relativ kleinen Wohnungen hatten die Bewohner kaum Gelegenheit, mit Freunden, Nachbarn und Verwandten angemessen und fröhlich zu feiern.

Die Baupläne wiesen infolgedessen einen neuen Typ von Kirche aus: Unter einem Dach befinden sich Kirche, Saal, Versammlungsräume, Küche und Nebenräume, alle Räume werden durch eine große Eingangshalle betreten.

Am Sonntag oder zu besonderen Gottesdiensten oder Anlässen wurde durch Öffnen einer Schiebetür die „Werktagskapelle“ mit dem Saal verbunden, so dass 170 Sitzplätze angeboten werden konnten.

Am 21. Mai 1972, Pfingstsonntag, benedizierte Militärdekan Hans Frense die neue Kirche. Am 5. September 1972 erfolgte die feierliche Konsekration unter Anteilnahme zahlreicher Gaste durch Militärbischof Dr. Franz Hengsbach, Esssen. Domkapitular Dr. Hubertus Brandenburg vertrat den Bischof von Osnabrück.

Bereits am 8. April 1970 hatte der Bischof von Osnabrück dem Katholischen Standortpfarrer in Ellenberg auch die zivilkirchliche Jurisdiktion übertragen für alle Katholiken in Ellenberg, die nicht unmittelbar zur Militärgemeinde gehörten. Das schloss auch die Verantwortung für den schulischen Religionsunterricht, Jugendarbeit, Krankenseelsorge usw. ein.

Die Kirche „St. Gereon“ gibt es nicht mehr.

1988 wurde der bis dahin zuständige Militärpfarrer Heix in seine Heimatdiözese Köln zurückgerufen. Da von der Seite des Militärs gesagt wurde, es werde wieder ein Militärpfarrer nach „St. Gereon“ kommen, zelebrierte Pfarrer Gehrmann über mehrere Monate auch noch jeden Sonntag Mittag hier die Heilige Messe, um der Gemeinde ihren Fortbestand zu ermöglichen. Als das Militarbischotsamt jedoch die Zusage von Militärdekan Stenzaly nicht erfüllen konnte, wurde die Kirche in die Obhut der Gemeinde „St. Marien“ übergeben.

Die Kirche konnte von der Gemeinde „St. Marien“ nicht gehalten werden, unabhängig davon, dass sie vom Platz her auch nicht benötigt wurde. Viele Gemeindemitglieder sahen das ein, manche hatten allerdings auch große Schwierigkeiten damit.

Der Pfarrgemeinderat von „St. Marien“ hatte Verständnis für die Empfindungen der aktiven Gemeindemitglieder von „St. Gereon“ und war bemüht, ihnen so bald wie möglich das Gefühl zu geben, nunmehr in der neuen, gemeinsamen Gemeinde zu Hause zu sein. Der Pfarrgemeinderat beschloss ein „Zehn-Punkte-Papier“, das vom Vorsitzenden, Harald Lehmann, in einem Gottesdienst der Gemeinde vorgestellt wurde. So beinhaltete dieser Beschluss unter anderem, im Rahmen der geltenden Satzung für die Pfarrgemeinderäte im Bistum Osnabrück ab Juli 1989 mehrere Gemeindeangehörige von „St. Gereon“ für die Dauer der Wahlperiode in den nunmehr auch für sie zuständigen Pfarrgemeinderat zu berufen. Dieses Angebot wurde dankenswerter Weise auch angenommen.

Über mehrere Jahre stand die Kirche „St. Gereon“ zum Verkauf an, bis sie schließlich dank der vorausschauenden, optimistischen Initiative des amtierenden Bürgermeisters, Roman Feodoria, und einer mutigen Beschlussfassung der Stadtvertretung unter dem Vorsitz des damaligen Bürgervorstehers Harry Detlefsen, von der Stadt Kappeln käuflich erworben wurde. Heute befindet sich in diesem Gebäude eine Begegnungsstätte, die allen Ansprüchen der Kappelner Bevölkerung gerecht wird. Im Rahmen eines Sommerfestes wurde die Begegnungsstätte feierlich am 11 . Juni 2005 eröffnet. Eine sinnvollere Verwendung hätten sich alle Verantwortlichen, insbesondere die Gläubigen der ehemaligen Militärgemeinde „St. Gereon“, nicht wünschen können!

Bleibt die Frage nach der Skulptur. Da vermute ich, dass es sich um St. Gereon (häufig als Anführer mit Speer dargestellt) und drei von seinen 318 Widerstand leistenden Gefährten handelt. Welch eine Symbolik in diesen Zeiten!

Was aus ihnen geworden ist, wissen wir ja jetzt, aber was wurde aus der Skulptur? Wenn ich darüber etwas erharen sollte, reiche ich es nach.

Nun zu euren Antworten. Die ehemalige katholische Kirche wurde erkannt von Ingwer Hansen, Hauke Marten und Katr!n Wummel. Auf das heutige Begegnungszentrum tippte auch Runa Borkenstein.

Andere Vermutungen gingen in die richtige Richtung, aber es war eben keine Seefahrerkirche und nicht nur die katholische Kirche der Militärgemeinde, sondern ein Gotteshaus für alle Ellenberger Katholiken.

26 Kommentare

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  1. John Walter

    Die Wetterfahne der ehemaligen katholischen Kirche Sankt Gereon in Ellenberg wurde aufgrund Interesse der katholischen Militärseelsorge, während meiner aktiven Zeit als Marineoffizier, von mir dann initiiert, von Sankt Gereon in Ellenberg zur Schnellbootflottille auf dem Marinestützpunkt Hohe Düne in Warnemünde verlegt und dort vor dem Haupteingang des Stabsgebäudes der Schnellbootflottille (Heute Stabsgebäude Korvettengeschwader) auf der Rasenfläche aufgestellt. Dort sollte sie heute hoffentlich noch stehen. Im Stabsgebäude hatten zugleich die beiden ev. und kath. Milittärdekane ihren Dienstsitz. Die Wetterfahne sollte darauf hinweisen.

    Bei der Gelegenheit folgende Info zum Tabernakel der Kirche Sankt Gereon:
    Das Tabernakel wurde nach der Entweihung und Verkauf der St. Gereon Kirche vom damaligen Gemeindepfarrer an den Leitenden Kath. Militärdekan der Marine übergeben. Zunächst eingelagert, wurde dieses nach Renovierungsmaßnahmen in die Nikolauskapelle der Marineschule Mürwik (Offizierschule der Marine) in Flensburg eingebracht. Die auf der Tür großflächig hervorstehende Steinrosette in den Farben blaut, rot und grün (Farben der Dreifaltigkeit "Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist" wurde, auch dort während meiner späteren Dienstellenzugehörigkeit, entfernt und durch eine Dreifaltigkeitsikone, angefertigt im Kloster Nütschau durch Bruder Ansgar, ersetzt und mit einem Festgottesdienst wenige Monate später eingeweiht. Die Ikone war ein Geschenk der Angehörigen der 53. Informationswehrübung der Marine, an der auch der ehemalige Kappelner Gemeindepfarrer teilgenommen hat.

    Walter John
    Fregattenkapitän a.D.

    1. admin

      Sehr aufschlussreich. Vielen Dank.
      War das tatsächlich eine Wetterfahne, also ein bewegliches Objekt?
      Ein Foto davon wäre schön.

  2. Runa Borkenstein

    Begegnungszentrum Kappeln eV

  3. Runa Borkenstein

    …ein Raum zur Einkehr für Marinesoldaten unterschiedlicher Religionen,
    wie es sie in Seemannsmissionen häufig gibt…
    (Mürwiker Straße?)

  4. Katr!n Wummel

    katholische Kirche, Ellenberg

  5. Hans-Werner Panthel

    Kindergarten in Ellenberg

  6. Maren Sievers

    Seefahrerkirche? Sieht nach Schiff aus… aber die Seemannsmission hat ein anderes Logo? Vielleicht gab es aber sowas als die Marine noch in Olpenitz war?

  7. Maren Sievers

    Dänische Kirche?

  8. Hauke Marten

    Katholische Kirche Ellenberg jetzt Begegnungszenter

  9. Maren Sievers

    Birger Forellhaus

  10. Ingwer Hansen

    Begegnungszentrum Kappeln-Ellenberg, ehemalige katholische Kirche

  11. Runa Borkenstein

    Kirche in Damp

  12. Runa Borkenstein

    Neuapostolische Kirche in Kappeln

  13. Heino Küster

    Kirchen evangelische Küster Ev. Luth. Kirchengemeinde

  14. Heino Küster

    Nochmal das Soldatenheim?

    1. admin

      Nee, Kirche ist schon richtig. Aber welche?

      1. Runa Borkenstein

        Hatte die Marine vielleicht eine kleine eigene Kapelle in Ellenberg?

        1. admin

          Kann man so nicht sagen, aber du bist schon nah dran.

          1. Runa Borkenstein

            … ein Andachtsraum, Konfirmandenschule…

            1. Konrad Reinhardt

              Die Marinesoldaten kamen aus allen Regionen der Bundesrepublik.

              1. Katr!n Wummel

                Ja, und die bayerischen Kadetten fuhren auf der Fregatte "Bayern". Die soll vorsichtshalber immer einen 2. Bug dabei gehabt haben als Ersatz, falls mal wieder was gerammt wurde … ;-)

  15. Runa Borkenstein

    …sind die Figürchen vielleicht getöpfert?

    1. admin

      Eher aus Metall, vermute ich. Da sie dort nicht mehr existieren, lässt sich das nur schwer feststellen.

  16. Heino Küster

    Auferstehungskirche in Ellenberg, Kieler Straße…

  17. Katr!n Wummel

    Christophorushaus

  18. Heino Küster

    Ellenberger Kirche…

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