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Jun 02 2011

Klassenfahrt der Unterprima 1967

Oberstufenfahrt nach Berlin 1967

von Dieter Tikovsky (Tiko)

Unsere Oberstufenfahrt in der Unterprima führte „wie damals üblich“ nach Berlin. Üblich deshalb, weil eine Berlinfahrt zur damaligen Zeit im Rahmen der politischen Bildung vom Bund subventioniert wurde. Damit verbunden war das Absolvieren eines gewissen Pflichtprogramms.

So machten wir uns dann unter Leitung unseres Klassenlehrers Wuzzi Tech im Frühjahr 1967 mit der Bahn von Kiel aus auf den Weg nach Berlin. Beim Passieren der innerdeutschen Grenze war uns allen ein wenig mulmig, als man auf dem Bahnsteig VoPos mit ihren Hunden herumlaufen sah, zumal einige Mitschüler von Horrorgeschichten über die Kontrollen durch das Grenzpersonal zu berichten wussten. Aber alles ging gut und so kamen wir nachmittags am Bahnhof Zoo an, wo wir auf unseren (aus persönlichen Gründen) per Flieger angereisten Klassenkameraden W. trafen.

Untergebracht waren wir in einem Schullandheim im Stadtteil Grunewald, von wo aus wir per S-Bahn und Bus unser Sightseeing-Programm abspulten. Zum Pflicht- bzw. Gemeinschaftsprogramm gehörten soweit ich mich erinnere:

  • Besuch des Schöneberger Rathauses
  • Besuch des Museums in Dahlem (die Büste der Nofretete war damals noch dort)
  • Besuch der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Bendlerblock
  • Besuch in Ostberlin (davon später mehr)
  • Besuch der Bild-Redaktion im Springer-Hochhaus direkt an der Mauer
  • eine geführte Stadtrundfahrt mit Blick über die Mauer von einer Aussichtsplattform
  • ein Abend mit dem für uns zuständigen Betreuer vom Berliner Senat in einem Restaurant in Kudammnähe

Neben diesem Pflichtprogramm gab es aber jede Menge Zeit zur freien Verfügung, die jeder für sich oder in kleinen Gruppen zur Erkundung Berlins nutzen konnte. So besuchte ich zum Beispiel ein abendliches Fußballspiel von Hertha BSC im Olympiastadion (Gegner ist mir entfallen) und sah mir einen Film im Kino an. Die Vorstellung von „Doktor Schiwago“ war leider schon ausverkauft, obwohl er in diesem Kudamm-Kino schon über ein Jahr lief. Also ließ ich mich von dem großen Poster über dem Eingang eines Kinos zu dem Film „Toll trieben es die alten Römer“ überreden.

An den Besuch der Bild-Redaktion erinnere ich mich insofern, dass dort an dem Abend große Hektik herrschte, weil irgend ein Politiker (ich glaube es war Adenauer) angeblich im Sterben lag und man deshalb eine Ausgabe mit und eine ohne die Todesnachricht vorbereiten musste.

Das größte Abenteuer war für uns Kappelner Schüler aber der Besuch in Ostberlin. Mit der S-Bahn ging es zum Bahnhof Friedrichstraße, wo eine ausführliche Ausweiskontrolle und der Zwangsumtausch von soweit ich weiß 10 DM pro Schüler abgewickelt wurde. Von dort aus wanderten wir zur Museumsinsel zum obligatorischen Museumsbesuch. Danach ging’s weiter zum Alexanderplatz, wo sich die Schülerschar in kleine Grüppchen zur weiteren Erkundung Ostberlins aufteilte.

Wir mussten feststellen, dass es gar nicht so einfach war, die umgetauschten Ostmark sinnvoll auszugeben. Meine Gruppe suchte zum Mittagessen zunächst ein HO-Restaurant. Dort mussten wir feststellen:

  1. man konnte nicht einfach irgendwo im Lokal Platz nehmen, sondern musste warten, bis einem ein Platz zugewiesen wurde (so wie heute noch vielfach in den USA) und
  2. dass man den Ostmark-Gegenwert von 10 DM mit einem Mittagessen plus Getränk nicht verprassen konnte.

Nach der Mahlzeit besuchten wir eine Buchhandlung und schauten uns nach Büchern um, die mit unserem restlichen Ostmark-Bestand noch zu finanzieren konnte – ob mit Erfolg, kann ich nicht mehr sagen.

Wieder zurück auf dem Alexanderplatz wurden wir von Jugendlichen angesprochen, die uns unsere Jeans abkaufen wollten. Da wir aber nicht sicher waren, ob so ein Vorhaben mit DDR-Recht verträglich war und wir keine Schwierigkeiten wollten, verzichteten wir auf dieses lukrative Geschäft, zumal wir mit dem dafür gebotenen DDR-Geld sowieso nichts anzufangen wussten. Vielmehr schenkten wir ihnen noch unsere Restbestände DDR-Mark, weil man das angeblich nicht mit nach Westberlin nehmen durfte.

Nachdem wir noch einige Zeit im Osten herumgestreift waren, ging es vom Bahnhof Friedrichstraße aus zurück in den Westen in unsere Unterkunft im Grunewald. Im Laufe des Nachmittags trudelten nach und nach alle Grüppchen ein.

Doch bei Meister Techs Zählappell kam dann der große Schreck: einer fehlte, nämlich unser Klassenkamerad Kossi. Die Aufregung bei Wuzzi war groß, und ich weiß nicht, was er unternommen hat, um den Vermissten aufzutreiben. Jedenfalls war Kossi gegen Abend auf einmal wieder da. Wie sich herausstellte, hatte er vor der Rückfahrt auf dem Bahnhof Friedrichstraße versucht zu fotografieren und war daraufhin von den Grenzpolizisten erst einmal in Gewahrsam genommen und verhört worden. Nachdem ein, zwei Stunden vergangen waren, wurde er dann wohl wieder gen Westen entlassen. Jedenfalls löste sein Erscheinen verständlicherweise eine große Erleichterung bei unserem Klassenlehrer aus.

Die Rückfahrt nach Kiel und dann weiter nach Kappeln verlief dagegen unspektakulär, so dass wir nach einer erlebnisreichen Woche zufrieden nach Kappeln zurückkehrten.

Ach ja, unser favourite song auf der Klassenfahrt war meiner Erinnerung nach „Painterman“ von der Gruppe Creation.

2 Kommentare

  1. Dieter Tikovsky

    Hallo Frau Flehmer,
    an die Adresse unserer damaligen Unterkunft im Grunewald erinnere ich mich nach so vielen Jahren leider nicht mehr. Zur damaligen Zeit habe ich nicht fotografiert. Insofern kann ich Ihnen auch nicht mit Bildern von der Klassenfahrt weiterhelfen.

    Viele Grüße
    Dieter Tikovsky

  2. Ursula Flehmer

    Hallo Hr.Tikovsky,auch ich war 1967 mit der Klasse in Berlin-Grunewald in einer alten Villa untergebracht,leider giebt es keine Adresse oder Bilder davon,könnten Sie mir und meinen Klassenkameraden da weiterhelfen? Ich lebe in Lippe nahe des Hermannsdenkmals ,dort waren Sie ja auch schon mal.Nun hoffe ich auf Ihre Hilfe. Danke u.Gruß von Ursula Flehmer

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