«

»

Jan 27 2022

Bilderrätsel Nr. 632 – Coopmans‘ Deichbaudenkmal

Bei meiner Recherche nach einem Namen und seiner Herkunft wurde ich gleich doppelt fündig.

Auf die Namensrecherche komme ich in einem eigenen Beitrag zurück.

Aber mit diesem Namen ist auch eine besondere „Heimatgeschichte“ verbunden, die ich hier – zunächst in Rätselform – präsentiere.

Im Internet ist das Ganze nahezu unauffindbar.

Ein weiterer Stein – und eine kleine Kuriosität:

Ein Foto aus einem Jahrbuch des Angler Heimatvereins von einem Denkmal in Schwansen.

Frage: Worum geht’s und wo befindet es sich – falls es noch existiert?

Deichbaudenkmal in Olpenitz

Bilderrätsel Nr. 632

Der Standort wurde richtig vermutet von Michaela Fiering, die Bedeutung des Steins wurde aber nicht erraten.

Hier die Geschichte dazu:

Professor Gadso Coopmans,
ein politischer Flüchtling
als Gutsbesitzer von Oehe

von H. Joachim Kuhlmann, Eckernförde (1953)

~ für die Schulzeitreisen überarbeitet 2022 ~

Die Liste der Besitzer des Gutes Oehe enthält für den Zeitraum von 1796 bis 1807 einen merkwürdigen Namen: Professor Gadso Coopmans.

Wer war das, woher kam er und wie gelangte er gerade nach Oehe? Das Schicksal dieses Mannes ist für unsere Zeit besonders interessant, weil wir daran erkennen können, dass die jüngste turbulente Vergangenheit Parallelen in den Ereignissen früherer Zeiten hat.

Gadso Coopmans wurde am 12. Januar 1746 als Sohn eines Arztes in der holländischen Universitätsstadt Franeker geboren. Er studierte an der Universität seiner Vaterstadt, später auch in Amsterdam und Groningen, Medizin und Philosophie. 1770 erlangte er in Franeker den medizinischen und philosophischen Doktorgrad, und, nachdem er einige Jahre hindurch als Arzt praktiziert hatte, wurde er hier 1774 Professor der Medizin und Chemie. 1776 vermählte er sich in Franeker mit Wilhelmine Catharina Lewe, der Tochter eines Oberstleutnants.

Als sich 1787 in den Niederlanden die republikanische Partei, die sogenannten „Patrioten“, und die Anhänger der Oranier heftig bekämpften, scheint auch Gadso Coopmans auf seiten der Patrioten aktiv in die Auseinandersetzungen eingegriffen zu haben. Als die Oranier ihre Gegner mit Hilfe preußischer Truppen unterwarfen, musste er mit seiner Familie das Land verlassen. Im Zusammenhang mit den Strapazen und Aufregungen der Flucht starb seine Frau noch im selben Jahr.

Er selbst führte in den nächsten Jahren als politischer Flüchtling ein unstetes Leben, bis er 1791 als außerordentlicher Professor der Chemie und Medizin an die Universität in Kopenhagen berufen wurde. Er stieß hier auf starken Widerstand, besonders unter seinen Kollegen, die ihn wegen seiner früheren politischen Tätigkeit angriffen. Durch die Veröffentlichung von Reden und Vorlesungen unter dem Titel „Kleine physikalisch-medizinische Werke“ (1793) versuchte er, seine schwache wissenschaftliche Stellung zu stärken, aber er konnte sich trotzdem nicht in Kopenhagen halten und ließ sich noch im gleichen Jahr an die Universität in Kiel versetzen.

Aber auch dort hatte er ähnliche Schwierigkeiten wie vorher in Kopenhagen und kündigte sein Amt als Extraordinarius für Chemie und Medizin nach drei Jahren. Im gleichen Jahr (1796) erwarb er das Adelige Gut Oehe.

Auch wenn Oehe in den Jahren zuvor parzelliert worden war, ist auch des Ankauf des Restguts offenbar ein Beweis dafür, dass er trotz der vergangenen, für ihn doch sehr unerquicklichen Jahre über ein umfangreiches Vermögen verfügt haben muss.

Bilderrätsel Nr. 632

Wahrscheinlich aus dieser Zeit stammt das Bildnis des Professors, das sich heute in der Bildersammlung der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen befindet.

Darüber ließ er seinen republikanischen Wahlspruch „Weder Herr noch Knecht“ setzen.

Die darunter abgedruckten Verse lauten in freier deutscher Übersetzung etwa folgendermaßen:

„Das freie Holland lächelte mir bei meiner Geburt zu und erlaubte mir, unter berühmten Männern einen ehrenvollen Platz einzunehmen. Das geknechtete Holland befahl mir, den heimatlichen Boden zu verlassen, weil ich es verschmähte, dem sklavischen Zepter des Adels zu gehorchen. Als das unglückliche Holland seinen Bürger fortstieß, nahm ihn die dänische Erde in ihren gütigen Schoß auf.“

Über Coopmans´ landwirtschaftliche Kenntnisse und die Art und Weise, wie er sich mit seinen Aufgaben als Gutsbesitzer in den elf Jahren von 1796 bis 1807 auseinandergesetzt hat, wissen wir wenig. Immerhin muss man annehmen, dass seine vielseitigen Interessen und Kenntnisse es ihm verhältnismäßig leicht machten, mit den Schwierigkeiten der Gutswirtschaft fertig zu werden und dafür auch geeignete Fachleute gewinnen konnte.

Denn er selbst begann damals, sich mehr mit Fragen der Entwässerung und Landgewinnung zu beschäftigen. Gewissermaßen „vor der Tür“ befand sich als dankbares Objekt das langsam verlandende Wormshöfter Noor, das ihn offenbar herausforderte, seine wasserwirtschaftlichen Theorien in die Praxis umzusetzen.

Bilderrätsel Nr. 632

Im Jahre 1798 ließ er einen Damm von Oehe nach dem gegenüberliegenden Wormshöft, quer durch das Noor, legen.

Der an der gegenüberliegenden Seite des neuzugewinnenden Gebietes, zwischen Drecht und Oehe, entlangführende Deich war wohl schon vor Coopmans´ Zeiten errichtet. Die Eindeichung bewirkte, dass sich in kurzer Zeit an Stelle des Sumpfes 100 ha saftige Wiesen erstreckten und ihren Schöpfer die entstandenen Unkosten vergessen ließen.

Weit und breit hießen die neuen Viehweiden nur „Oeher Butterfass“. Das war ein großer Erfolg. Und, dem Geist der Zeit entsprechend, sollte auch die Nachwelt durch einen Gedenkstein auf diese Leistung hingewiesen werden. Deshalb ließ Gadso Coopmans 1798 an dem neuen Wormshöfter Damm einen schlanken, vierkantigen, etwa 2,65 m hohen Granitstein errichten, der eine lateinische Inschrift erhielt: „Christiano VII. Rege, Friderico Principi Regio Regni Haerede, Schimmelmanno, Reventlovo Consiliariis Regiis Industriae faventibus, hunc Murum Aquis subtraxit Ghadso Coopmann Franequeranus Frisiae MDCCXCVIII.“

Außer der Tatsache des Deichbaues wird in der Inschrift – wie es früher allgemein üblich war – des Königs Christian VII., des Kronprinzen Friedrich (der für seinen geisteskranken Vater die Regentschaft führte), des Finanzministers Grafen Ernst Schimmelmann und Cai Reventlows, des Präsidenten der Deutschen Kanzlei, gedacht. Oberhalb der Inschrift befand sich wahrscheinlich das Coopmans´sche Familienwappen.

1807 verkaufte Professor Gadso Coopmans das Gut an den Kammerherrn und Landrat Ernst von Ahlefeldt. Die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland hatten sich unterdes grundlegend gewandelt. 1806 war es unter Kaiser Napoleons Bruder Louis zum Königreich Holland geworden. Der Rückkehr des politischen Flüchtlings von 1787 stand nichts mehr im Wege.

So siedelte er 1807 wieder nach Amsterdam über. Als praktizierender Arzt starb Coopmans in Amsterdam am 5. August 1810, mit 64 Jahren.

Coopmans´ ureigenste Schöpfung, das „Oeher Butterfass“, wurde ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode vernichtet, als in der Sturmflut vom 19. Dezember 1835 der Drechter Damm brach und damit das eingedeichte Gebiet wieder verloren ging. Zwar blieb der Wormshöfter Damm stehen, aber der Gedenkstein von 1798 hatte nun doch seinen Sinn verloren.

Ernst von Ahlefeldt, dem seit 1816 auch Olpenitz gehörte, verkaufte Oehe im Jahre 1852. Er scheint sich kurz vorher den Stein als Erinnerungsstück gesichert zu haben. Angeblich ließ er das etwa 2 ½ Tonnen schwere Denkmal über die Schlei nach Olpenitz bringen, wo es dann in Vergessenheit geriet.

Seine Nachkommen, in deren Besitz das Gut noch heute ist, wussten nichts mehr von der Existenz des Steines. Erst 1925 kam er wieder zum Vorschein. Der jetzige Besitzer, Herr Dr. Weller, hatte durch einen Gutsnachbarn von dem Vorhandensein eines von Oehe nach Olpenitz gebrachten „Deichbaudenkmals“ gehört. Der Sage nach sollte es eine lateinische Inschrift tragen, die übersetzt wie folgt lauten sollte: „Wo sich einst Hering und Butt tummelten, wächst jetzt Brot und Butter.“

Nach systematischem Suchen fand sich der Stein am Ufer des Olpenitzer Gutsparks, wo er zwischen Findlingen hart an einer „Halbmond“ genannten Bastei, fast ganz von Sand und Grasnarbe bedeckt, lag. Bei der vorbildlich durchgeführten Neugestaltung des Parks fand das Denkmal seine Aufstellung in der Nähe der Fundstelle, am Ende einer alten hohen Allee, die von der Rückseite des Herrenhauses zur Schlei führt.

Die Entzifferung der alten Inschrift ergab allerdings weder etwas von Butt und Hering noch von Brot und Butter, sondern sie erinnert an das vorbildliche Werk des Gadso Coopmans.

Wenn auch die Sturmflut von 1835 dieses Werk vernichtet hatte, so spornte Coopman´ Vorbild doch seine Nachfolger zu einem neuerlichen Trockenlegungsversuch an. Genau 60 Jahre nach dem Dammbruch, in den Jahren 1895/96, wurde das ehemalige „Butterfass“ zum zweiten Mal trockengelegt. Aber 1898 brach wieder ein Damm, dieses Mal der Wormshöfter, und das Land stand erneut unter Wasser.

Nach nunmehr zwei gescheiterten Versuchen griff man 1922/23 zum dritten Mal das alte Projekt auf. Der Wormshöfter Damm erstand von neuem. Ein großer Findling mit den Jahreszahlen erinnert heute an dieses Unternehmen. Und endlich scheint es Bestand zu haben. Zwar ist noch nicht das gesamte eingedeichte Gebiet trockengelegt, aber viel fehlt nicht mehr daran. Das entstandene wertvolle Wiesengelände zeigt, dass der Weg, den Coopmans vor mehr als 150 Jahren beschritten hatte, richtig war.

21 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

  1. Gadso Werner

    Mit dem Vornamen Gadso ausgestattet hätte ich das Bilderrätsel natürlich sicher entschlüsselt. Das letzte Mal habe ich den Obelisken mit einer kleinen Abordnung von Weiland Nachfahren in 2006 aufgesucht. Da mein Großvater Marcus Jansen von 1925 bis 1931 die Landwirtschaft auf Gut Olpenitz als Gutsinspektor leitete, wusste ich auch über Erzählungen aus der Familie von der Örtlichkeit und Bedeutung dieses Deichbaudenkmals.
    Bei Interesse an einer Besichtigung bitte den Park nur nach Absprache mit der Eigentümerfamilie Weller von Ahlefeldt betreten.

  2. Hans-Werner Panthel

    Wenn man beim Stadtarchivar Wengel nachliest, findet man was über die Familie Ahlefeldt und deren Anwesen sowohl links als rechts der Schlei.

    1. admin

      Ja, die waren tatsächlich für die „Verlegung“ des Denkmals verantwortlich. Jetzt nur noch rauskriegen, was sich von Gut zu Gut mitzunehmen lohnte – und sei es nur als Andenken.

  3. Heino Küster

    Also Gut Olpenitz… vielleicht war der Stein früher beim Gut Buckhagen? Waren die unter gleichem Familienbesitz? Hatte es vielleicht mit der Befreiung von der Leibeigenschaft in Angeln, aber noch nicht in Schwansen, zu tun?

    1. Runa Borkenstein

      Olpenitz, Buckhagen und Rabenholz werden als 3 Burgen der Region zusammen genannt,
      gab's da vielleicht einen Ritter…?

    2. Maren Sievers

      Um 1750 waren im Bereich Olpenitz schon einige
      freie Bauern. ( Quelle: Hof Ossenrüh)

  4. Michaela Fiering

    Gut Olpenitz, Grenzstein des Gutes

    1. admin

      Das ist richtig, aber es ist kein Grenzstein, sondern ein Denkmal, das ursprünglich am anderen Ufer stand, also in Angeln.

  5. Maren Sievers

    Der Kreis oben? Eine Lutherrose?
    Eine Kompassrose? Nirgends was
    zu finden….

    1. admin

      Darin befand sich wahrscheinlich ein Familienwappen.

  6. Maren Sievers

    …irgendwie seh ich da ne Giraffe drauf….??

    1. Maren Sievers

      oder ein Sikahirsch ?

  7. Regina Blätz

    Die kleine Wegbiegung sieht fast wie der Schleiweg in Kopperby aus. Aber ob es damals überhaupt schon einen Spazierweg gab ist mir nicht bekannt. Zu meiner Kinderzeit waren dort Felder und Knicks, soweit ich mich erinnere.

    1. Runa Borkenstein

      … es sieht zumindest nach Schleiufer aus …

      1. admin

        Das ist es auch.

      2. Runa Borkenstein

        …vielleicht in der Gemeinde Thumby?

        1. Regina Blätz

          Oder Bienebek?

  8. Maren Sievers

    Jagdstein

  9. Maren Sievers

    1864

  10. Maren Sievers

    Kosel

  11. Heino Küster

    Vielleicht in Missunde (?)

Kommentare sind deaktiviert.