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Nov 10 2011

Kappeln vor 100 Jahren

Wieder möchte ich zu einer kleinen Zeitreise einladen, und zwar noch um ein halbes Jahrhundert weiter zurück als beim Liening-Beitrag und um weitere zwanzig Jahre als beim Schleimünde-Bilderrätsel. Wir springen direkt in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts.

Ostseebad Kappeln – „Flyer“ um 1910

Auch damals gab es in Kappeln schon einen „Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs“, und Werbung wurde groß geschrieben.

Um 1910 herum ließ man eine kleine Broschüre herstellen, in welcher die Vorzüge unserer Stadt ausschweifend angepriesen wurden. Dass es hier so schön ist, wussten damals wahrscheinlich nicht einmal die Einheimischen – die (außer den Geschäftsleuten) ohnehin nicht viel mit dem ganzen Tourismus am Hut hatten.

Andererseits ist es ein so hübscher Text, dass er nicht länger im Verborgenen schlummern soll. Zur Illustration habe ich einige zeitlich passende Ansichtskartenmotive herausgesucht.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Ostseebad Kappeln

Kappeln um 1910»Allen denjenigen, die nicht ins Bad gehen, um nur Geld los zu werden, ist das Ostseebad Kappeln zum Badeaufenthalt überaus zu empfehlen.

Kappeln liegt eine halbe Stunde vom Ostseestrande entfernt am nördlichen Ufer der Schlei.

Die Schlei ist unstreitig der schönste Meeresarm des meerumschlungenen Schleswig-Holstein. Sie erstreckt sich in einer Breite von mehreren hundert Metern 5 Meilen weit ins Land hinein.

Zu beiden Ufern derselben liegen romantische und idyllische Landschaften. Südlich liegt das schöne Schwansen und nördlich das noch schönere Angeln.

Kappeln, der Hauptort der Landschaft Angeln, zählt gegen 3000 Einwohner. Die Straßen der Stadt steigen von der Schlei aus erheblich an, so daß Kappeln auf einem ca. 30 m hohen Hügelrücken gelegen ist. Diese Lage verleiht der StaKappeln um 1910 - Dehnthofdt mancherlei gesundheitliche und landschaftliche Vorzüge. Das Stadtbild bietet, gleichviel von welcher Seite man sich Kappeln nähert, einen überaus anmutigen Anblick. Die ganze Umgebung bildet die reizendste Staffage dazu. Das gewellte Hügelgelände gewährt dem erstaunten Blick in der bunten Abwechselung von Wald, Feld, Wiese und Wasser auf Schritt und Tritt immer andere, stets schönere Ausblicke. Die Waldungen, die bis dicht an die Stadt heranreichen, die malerischen Knicks, die die einzelnen Koppeln grün umrahmen, überhaupt der viele Baumwuchs, machen das ganze Land zu einem schönen Garten. Durch die fruchtbaren Täler schlängeln sich klare Bächlein. Die mitten in den Kappeln um 1910 - HüholzLandbesitz hineingebauten Gewese lugen an den schönsten Punkten wie Schmuckkästlein aus all der grünen Pracht hervor. Ein behaglicher Friede ruht über dem Ganzen und macht jedem Fremden den Aufenthalt in diesem reichgesegneten Lande überaus angenehm.

Der Großstädter, der im Seebade Erholung sucht, wird Kappeln wegen seines zum Teil noch altertümlichen Gepräges schön finden. Und doch steht es, was moderne Einrichtungen anbelangt, vollkommen auf der Höhe der Zeit. Die Straßen sind sämtlich sehr gut gepflastert. Kappeln um 1910 - MühlenstraßeSie, wie auch die meisten Häuser werden elektrisch beleuchtet. In den Hauptgeschäftsteilen reiht sich Geschäft an Geschäft. Trotz des bedeutenden Verkehrs herrscht in Kappeln eine wohltuende Ruhe. Hier hastet keine elektrische Bahn durch die Straßen. Fabriklärm, Fabrikrauch spürt man nicht. Kappeln liegt so hoch und frei, daß der Rauch der paar vorhandenen Fabrikschornsteine ohne weiteres abzieht. Von der See her weht die frische Meeresluft. Derselben ist die Rauheit zum größten Teil genommen, ehe sie Kappeln erreicht. Die schönen Buchenwaldungen in der Umgebung der Stadt wirken mit ihrem würzigen Ozon mildernd auf die Luft ein. So darf man behaupten, daß Kappeln sich aufs vorzüglichste zum Kuraufenthalt eignet. Es wird auch vielfach von pensionierten Lehrern und Beamten zum ständigen Aufenthalt gewählt. Besonders aber fällt für den Kurgast ins Gewicht, daß man im Ostseebad Kappeln vollkommen so gut, aber wohl für die Hälfte des Preises lebt, den man in luxuriösen Seebädern anzulegen genötigt ist.Kappeln um 1910 - Wassermühlenholzholz

Man kann in Kappeln selbst während der Badesaison schon von 3 Mk. an Wohnung mit voller Pension haben. Kappeln ist eine wohlhabende Stadt. In seinen Bürgerhäusern herrscht behaglicher Komfort, seine Bevölkerung lebt im allgemeinen sehr gut. Während der Saison entwickelt sich in Kappeln ein idyllisches Kurleben, ganz frei und ungezwungen, inmitten einer gebildeten und freundlichen Bevölkerung. Der Fremde findet hier leicht angenehmen, geselligen Verkehr.

Kappeln um 1910 - Café MonopolKappeln besitzt eine eigene Kurkapelle. Zahlreiche Vergnügungen vornehmen Stils werden von Vereinen und Lokalbesitzern veranstaltet, so daß jeder Fremde in Kappeln auch in dieser Hinsicht vollständig auf seine Rechnung kommen kann, ohne daß es ihn übermäßig viel Geld kostet.

Erstklassige Hotels sind vorhanden, die den verwöhntesten Ansprüchen gerecht zu werden vermögen. Das dicht an der Schlei in prächtigen Parkanlagen gelegene Strandhotel ist eigens für den Kurverkehr erbaut. Es ist mit einem besonderen Logierhaus verbunden und enthält über 30 zum Teil recht luxuriös ausgestattete Fremdenzimmer. Kappeln um 1910 - StrandhotelHier werden in der Saison die Kurkonzerte abgehalten. In den Anlagen findet man einen schönen, neu angelegten Tennisplatz. Gleich vor dem Hotel ist eine Schiffanlegebrücke, wo Mietboote jederzeit bereitliegen. Das Hotel macht einen vornehmen Eindruck. Im Hauptgebäude befindet sich ein Konzertsaal mit Glasveranda. Das Logierhaus ist im Kottagestil erbaut. Das Strandhotel liegt ganz für sich allein auf der Westseite der Stadt. Es ist so hochgelegen, daß man von seinen Fenstern aus die herrlichsten Fernsichten nach allen Richtungen hat. Überhaupt darf sich das Strandhotel in jeder Hinsicht unter die ersten Kurhotels Kappeln um 1910 - Hotel HohenzollernOstschleswigs rechnen.

Aber auch neben dem Strandhotel gibt es noch vorzügliche Hotels in Kappeln; so das Hotel Stadt Hamburg, Centralhotel, Hotel Hohenzollern, der Kappelner Hof, der Angeler Hof u. a. m.

Außerdem findet der Fremde hier verschiedene durchaus empfehlenswerte, billige Gasthäuser und eine ganze Anzahl guter Restaurationen.

Kappeln hat eine schöne Kirche mit hohem Turm, von dessen bequem zu ersteigender Galerie man einen wundervollen Fernblick über das schöne Land ringsum und weit hinaus über die See bis zu den Kappeln um 1910 - St. Nikolai-Kirchedänischen Inseln genießt. In dieser Kirche befindet sich als berühmte Sehenswürdigkeit ein aus Holz geschnitztes Altarbild. Dieses unübertroffene Meisterwerk des berühmten Eckernförder Künstlers Gudewert ist mit einem reichen Barockornamentrahmen umgeben und stellt Geburt, Leben und Sterben Christi in schönster künstlerischer Vollendung dar. Es gilt mit Recht als das bedeutendste kirchliche Kunstwerk Schleswigs in diesem Genre.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Friedhof von Kappeln, einer der schönsten Totenhaine des ganzen Nordens. In tiefer Schlucht schlängelt sich ein Bächlein durch diese idyllische Ruhestätte und prägt derselben einen wundersam romantischen Charakter auf.

Kappeln um 1910 - Salondampfer „Stadt Kappeln“Kappeln hat sehr günstige Schiffs- und Eisenbahnverbindungen. Von Kiel ist es mit dem Salondampfer „Stadt Kappeln“ in 2 ¾ Stunden zu erreichen. Der modern eingerichtete, mit Restauration versehene Dampfer fährt täglich 2.30 Uhr vom Schuhmachertor in Kiel ab. Die Fahrt ist einzig schön. Durch den Kriegshafen, an den Kriegsschiffen und gewaltigen Festungswerken vorbei geht es in ¾stündiger Fahrt durch die herrlichste deutsche Förde in die Ostsee. Die Fahrt ist sehr billig.

Von Schleswig aus ist das Ostseebad Kappeln mit den Kappeln um 1910 - Dampfer „Konkordia“Personendampfern „Herzog Friedrich“ und „Konkordia“ in 3stündiger Fahrt, die unvergleichlich schöne Schlei hinunter, zu erreichen. Beide Dampfer fahren täglich mehreremal.

Die Bahnverbindungen Kiel-Eckernförde-Kappeln, bezw. Kiel-Süderbrarup-Kappeln sind sehr günstig. 6 bezw. 5 Züge verkehren täglich auf diesen Strecken. Von Schleswig und Flensburg fahren jeden Tag 5 Züge nach Kappeln und umgekehrt. Über die Schiffahrts- und Bahnverbindungen steht den Kurgästen ein gedruckter Orientierungsplan kostenlos zur Verfügung.

Auf der Schlei um 1910In Kappeln kann man stets gutes und billiges Fuhrwerk haben. Segelboote zu Touren auf der Schlei und in die offene See hinaus stehen jederzeit zur Verfügung.

Die Schlei ist sehr fischreich und bietet Gelegenheit zum Fischen in Hülle und Fülle. Ein Führer durch Kappeln und Umgegend gibt Anleitung zu den schönsten Spaziergängen in die nähere und fernere Umgebung der Stadt. Schattige Promenadenwege, mit Linden bepflanzt, führen zu den nahen Buchenwaldungen, die von wohlgepflegten Spazierwegen durchzogen sind. Zahlreiche Ruhebänke laden zur angenehmen Rast ein. Romantisch gelegene Kappeln um 1910 - BadeanstaltWaldwirtschaften bieten die besten Erfrischungen.

Kappeln ist durch eine Pontonbrücke mit der Landschaft Schwansen verbunden.

An der Schlei sind zwei Badeanstalten eingerichtet, die zu geringem Preise zu benutzen sind.

Außerdem ist zweimal täglich Gelegenheit zur Dampferfahrt nach dem Seebad Schleimünde. Man erreicht Schleimünde in halbstündiger Fahrt durch die prächtige untere Schlei. Hin- und Rückfahrt einschließlich Schleimünde um 1910Seebad kosten nur 50 Pfg. Bei Entnahme von Dutzendkarten stellt sich der Preis noch niedriger. Eine Kurtaxe wird nicht erhoben.

Der Badestrand in Schleimünde ist in jeder Hinsicht vortrefflich. Da der Wellenschlag hier im allgemeinen nicht zu stark ist, so ist die Badewirkung eine verhältnismäßig milde. Schleimünde ist einer der bevorzugtesten Badeplätze der ganzen Ostseeküste. Der schneeweiße Sandstrand ist herrlich, der Ausblick auf die See vom Strande aus unvergleichlich schön. Herren- und Damenbad sind getrennt. Am Strande liegt ein Erfrischungspavillon.

In Kappeln findet sich somit alles zusammen, um es zu einem erstklassigen Badeort zu machen.

Boden, Luft und Wasser sind so vollkommen rein und gesund, daß keine Epidemien hier aufkommen können. Auch sonst bietet es alles, was das Leben angenehm machen kann.
Kappeln um 1910 - Präparandenanstalt
Kappeln hat ein Amtsgericht, ein auf der Höhe der Zeit stehendes Krankenhaus, eine Präparandenanstalt, eine bedeutende landwirtschaftliche Lehranstalt, eine sehr reichhaltige Volksbibliothek zur unentgeltlichen Benutzung, 4 Ärzte, 1 Apotheke, 1 Tageszeitung, 1 Katasteramt und 1 Bank und Wechselkasse „Schleibank“. Daraus kann man ersehen, daß im Ostseebad Kappeln ein reges wirtschaftliches Leben floriert.

Jede etwa erwünschte fernere Auskunft wird vom
Vorstand des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs bereitwilligst erteilt.«