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Apr 09 2012

Bilderrätsel Nr. 102 – Alter Ratskrug

Ostern neigt sich dem Ende zu. Einige sind gerade vom Mittagessen zurückgekehrt – aber wohl kaum aus diesem Lokal!

Frage: Welche Gastwirtschaft ist hier zu sehen?

Bilderrätsel Nr. 102 - Kappeln - Alter Ratskrug (1959)

14. April 2012

Da sich die Aufbereitung der Lösung zu diesem Bilderrätsel mal wieder aufwendiger gestaltet als geplant und außerdem bisher nur sehr wenige richtige Antworten eingegangen sind, verlängere ich die Aufgabe noch einmal um ein paar Tage und gebe eine zusätzliche Hilfe.

Die meisten Gastwirtschaften bestehen nicht nur aus der eigentlichen Gaststube, sondern verfügen über weitere Räume, z. B. für „geschlossene Gesellschaften“ usw. Das abgebildete Motiv zeigt solch eine Räumlichkeit. Die Gaststube selbst sah so aus:

Bilderrätsel Nr. 102 - Kappeln - Alter Ratskrug

18. April 2012

Obwohl nicht wenige von uns in den fünfziger oder sechziger Jahren das abgebildete Lokal nicht nur von außen kannten, war das Rätsel recht schwierig.

In den Kommentaren wurden wieder verschiedene Vermutungen angestellt und siebenmal fiel (schließlich) auch die richtige Antwort.

Die Lösung lautet: Alter Ratskrug, Kappeln, Rathausmarkt 2

Kappeln - Alter Ratskrug (1962)

Dargestellt auf dem Rätselfoto von 1959 ist allerdings nicht die Gaststube im vorderen Bereich, wie sie auf einigen Ansichtskarten dargestellt ist, sondern das daran anschließende sog. „Honoratiorenzimmer“, ein gediegener Gesellschaftsraum mit alten geschnitzten Sitzmöbeln und einer Täfelung mit der Stadtansicht von Kappeln.

Die Außenansicht des Alten Ratskrugs ist den meisten sicher noch vertraut:

Kappeln - Rathausmarkt - Foto: Jörg Stöckel (ca. 1968)

Kappeln - Paulsen-GangSeinen Namen erhielt das Kappeln - Paulsens GasthofLokal übrigens „erst“ 1936. Die ersten hundert Jahre seines Bestehens war es einfach „Paulsens Gasthof“.
Das Grundstück erstreckte sich vom Kappeln - Paulsens GasthofRathausmarkt bis zur Querstraße, wohin auch der „Paulsen-Gang“ oder „Paulsens Gang“ – wie der Fußweg zwischen Rathaus und Gaststätte genannt wurde – führte. Auf dem Hof befanden sich Ställe für Vieh und Ausspann (später Garagen).

Nachdem die Wirtschaft über fünf Generationen von der Famile Paulsen betrieben wurde, verkauften die Erben das Anwesen an den Gastwirt Fritz Bock, der den Gasthof umbauen ließ und ihn „Alter Ratskrug“ taufte.

In den Erinnerungen von Peter Hansen findet sich diese kleine Episode:

Kappeln - Alter Ratskrug - Anzeige von 1954»In de Johrn vör un ok noch Anfang de twete Weltkrieg kemen sünndaags üm de Middagstiet an de Schlie de KDF-Damper an. KDF heet „Kraft durch Freude“ un weer so’n Aart soziale Inrichtung vun de Partei in de Hitlertiet, as allns mit’n Barg Tam-tam upmaakt. Lüüd, de sik dat sunst nich leisten kunnen or wulln, harrn so en billige Gelegenheit to verreisen, sik in’n Urlaub to verhalen, en Theater to besöken un veles mehr; so ok, as in dissen Fall, en Sünndagstuur mit ’n Damper to maken.Kappeln - Alter Ratskrug (50er-Jahre)

En groot Deel vun de Lüüd, de morrns in Kiel affohrn, weern Werftarbeiter mit ehr Familien. Kloor, dat se Hunger harrn, wenn se vun’n Damper kemen un sik de Fährbarg hooch dörch de Poststraat up’n Marktplatz drängen, up de Söök na en Kroog.

„Un dor töövst du doch man up“, trietzen de Kappler den Kröger, „wenn de Damper bi’t Anleggen nerrn an de Schlie tuten, kriggt doch dien Fru al fix en Stück Speck in de Pann un lett dat bi klene Füür ganz sinnig utbraden, ritt denn de Finster na de Straat up, dat sik de Röök ut de Köök mit de stickige Luft buten mank de Hüüs vermengeleert un langsam in Swaden up’n Raathuusmarkt wöltert. Wenn se dor mit de hungrigen Lüüd tohoop draapt, warrn de doch fuurts mit de Nees snüffeln un mit allerhand „Hallo“ un „Oh, hier sünd wi richtig“ standepee in dien Kroog rinswenken. Un denn hest du in null un nix de Gaststuuv propenfull un dat Geld för de Wuch all verdeent! – Un nu heff di man nich so un laat uns noch ’n Runn up dien Kosten kriegen!“«
Kappeln - Rathausmarkt (60er-Jahre)
Kappeln - Fachwerkhaus (1951)Ende der fünfziger Jahre verpachtete Bock den Ratskrug an Fritz Fischer, der ihn bis 1968 betrieb. Nach dem Tode ihres Mannes verkaufte Frau Bock das Anwesen zunächst an Kaufmann Meyborg, allerdings besaß die Stadt ein Vorkaufsrecht und wurde zunächst selbst Eigentümer des ganzen Grundstücks. Nach langem Streit einigte sich die Stadt mit Meyborg und trat ihm einen Teil des Grundstücks ab.

Dann beging die Stadt Kappeln einen ihren größten stadtplanerischen Frevel und ließ Rathaus, Ratskrug und drei Häuser zur Querstraße in einem Zuge abreißen.

Alles, was dem fließenden Verkehr im Wege war, musste beseitigt werden. Oberste stadtplanerische Priorität hatte – wieder einmal getrieben durch die vermeintlichen Interessen von Kappler Geschäftsleuten – das problemlose Einkaufen mit dem eigenen Auto.

Kappeln - Kindergilde (60er-Jahre)Nachdem aus diesem Grund bereits das verkehrsstörende alte Fachwerkhaus zur Schmiedestraße (viele erinnern sich noch gern an die damalige Eisdiele) der Spitzhacke zum Opfer gefallen war, beschloss die Kappelner Stadtvertretung am 23. Juni 1971 mit 15 Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung:

»Die Stadtvertretung ist nach wie vor der Meinung, daß der „Alte Ratskrug“ abgebrochen werden muß., um die neueren Bauvorhaben in diesem Bereich einer vernünftigen Lösung zuführen zu können.«

Kaum war 1972 das Todesurteil vollstreckt, wurde die nächste „Vernunft“-Entscheidung der Stadtvertretung getroffen und schnurstracks in Angriff genommen: in Kappeln wurde der erste Abschnitt der Fußgängerzone errichtet – jetzt sollte das Auto plötzlich aus dem Stadtbild verschwinden. Spätestens nachdem sich die neue Ladenstraße für die ansässigen Kaufleute als großer Erfolg entpuppte, muss allen Beteiligten mit einem letzten Funken „Vernunft“ klar gewesen sein, dass der Abbruch des Alten Ratskruges und des Rathauses eigentlich völlig überflüssig gewesen war. Immerhin konnte man noch mit den hohen Sanierungskosten argumentieren, die man für den Erhalt der eigentlich schützenswerten Gebäude hätte aufbringen müssen.

Auf dem Kappeln - Rathausmarkt (2012)Gelände am Rathausmarkt befindet sich heute die Filiale der Nord-Ostsee Sparkasse.

Über den Abriss und besonders das, was an die Stelle der alten Gebäude getreten ist, haben sich im Nachhinein Denkmalschützer in vernichtenden Superlativen geäußert. Im Bericht „Altstadterneuerung in Kappeln“ wird die heutige Ansicht des Rathausmarktes als „unverzeihliches Kapitel in Kappelns baulicher Entwicklung“ bezeichnet.

»Eindrucksvolle Demonstration architektonischer Hilflosigkeit bei dem Versuch, mit zeitgenössischen Mitteln auf eine historisch geprägte Platzsituation einzugehen; dazu noch an einer Stelle, die vordem mit den historischen Baudenkmälern Rathaus und Alter Ratskrug ausgezeichnet war. Das Unglück ist nun einmal geschehen; was an die Stelle getreten ist, kann zum Guten nur noch dienen als „Denkmal“ für total mißglückte „Anpassungs“-Architektur. Auf Details dieser allenfalls für historisch ungeprägte Vorstadtsituationen verzeihlichen Architektur einzugehen, lohnt kaum; allein die Restfassaden der südlichen Platzwand über gleichfalls verdorbenen Erdgeschossen genügen zur stillen Disqualifizierung der sonderbar spießigprotzigen Neubaufassade mit angeblicher Giebel-„Reminiszenz“. Da hilft auch das „traditionelle“ Dach nicht mehr, dessen mögliche Wirkung durch die völlig unverständlichen, sinnlos applizierten, sowohl an Sichtblenden wie an Schubladen erinnernden weißen Rechtecke aufgehoben wird. An dieser Stelle unmöglich auch die horizontale, möglicherweise sogar als negatives transparentes „Gesims“ interpretierte Durchtrennung der Giebelwand mit einem „Oberlichtband“, wie es für eingeschossige Strandpavillons oder Toilettenhäuschen angebracht sein mag.«

Quellen:

Peter Hansen: Twischen Heringstuun un Möhl Amanda
144 Seiten, ISBN 3-934169-09-0
Hako Ekenis, 2001

Der Alte Ratskrug – Die Geschichte eines zeitbedingten Irrtums
in: Kappeln – 650 Jahre: Eine Stadtgeschichte in Einzeldarstellungen
Joachim Ramge (Hrsg.)
Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte der Volkshochschule Kappeln 2007
167 Seiten, ISBN 978-3898763387
Husum Verlag 2007

Uwe Albrecht, Hans-Günther Andresen: Altstadterneuerung in Kappeln zwischen städtebaulichem Ideenwettbewerb und Ortsgestaltungssatzung
in: Kappeln Sechshundertfünfzig
656 Seiten, ISBN 978-3779369189, 10 €
Heimatverein der Landschaft Angeln e. V., 2007

Hans-Peter Wengel: Die drei Rathäuser der Stadt Kappeln
Stadtarchiv Kappeln, 2002

17 Kommentare

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  1. Kalle

    Es handelt sich um den Alten Ratskrug (heute Nospa)

    Gruß, Kalle

  2. Claus Poppenhusen

    so ist das mit den 50:50 Chancen. Der erste Tipp lag daneben. Es ist der Alte Ratskrug in Kappeln.
    Gruß
    Claus

  3. Eckhard Schmidt

    Alter Ratskrug am Rathausmarkt

  4. admin

    Hallo Ulli, auf dem Bildausschnitt ist zu erkennen, dass nicht Flensburg dargestellt ist.
    Insofern stimmt leider auch dein Tipp nicht.

    1. Ulli Erichsen

      na ja,
      jetzt ist alles klar: Alter Ratskrug. Obwohl, Rundbogenfenster in einem Fachwerkhaus ?
      LG
      Ulli

  5. Heino Küster

    Moin,
    ich tippe jetzt auch blind: Ratskrug, evtl. eine Neben-Räumlichkeit im alten Rathaus.
    LG
    Heino

  6. Claus Poppenhusen

    Zu meiner Kindheit gab es in Kappeln zwei Restaurants am Rathausmarkt, die beide passen könnten.
    Der Kieler Hof, heute Hotel Aurora, und der Ratskeller, heute Sparkasse.

    Ich tippe auf den Kieler Hof

    Herzliche Grüße
    Claus

  7. Almut Langenfeld, geb. Weiland

    Die gediegene Einrichtung dieses Raumes mit den geschnitzten Stühlen lässt mich auf die Idee kommen, dass auf diesen sehr gut solche Honoratioren wie Ratsherren gesessen haben könnten. Ich tippe also auf den „Alten Ratskrug“, seinerzeit eines der schönsten Häuser auf dem Rathausmarkt, das leider in einer Nacht -und Nebelaktion eines Tages einfach abgerissen wurde.

  8. Ulli Erichsen

    Halo Achim,
    meine ganzen Kappelnbilder geben nicht richtig was her, aber das einzige Gebäude mit Rundbogenfenster wäre der Alte Flensburger Bahnhof, wo sich auch eine Wirtschaft befand.
    Gruß
    Ulli

    1. admin

      Bei deiner und Eckhards umfangreicher Ansichtskartensammlung wird es für mich immer schwieriger, Motive zu finden, die ihr nicht gleich wiedererkennt! Diesmal ist es mir anscheinend gelungen: die Bahnhofswirtschaft ist es nicht!

      1. Ulli Erichsen

        Hallo Achim,
        das Rätsel trägt die Überschrift: Kappeln. Es handelt sich also um eine Kappler Lokalität. Ich gehe davon aus, dass die beiden Waldgaststätten nicht zu Kappeln gehören, zumal es auf den Ansichtskarten immer heißt: bei Kappeln. Falls doch, habe ich bei der Waldgaststätte Wassermühlenholz zwei „runde“ Fenster entdeckt.
        LG
        Ulli

        1. admin

          Die beiden Waldgaststätten gehören für mich zwar zu Kappeln, aber die gesuchte Lokalität liegt doch deutlich zentraler.

          1. Ulli Erichsen

            Hallo Achim
            im Moment komm ich nicht weiter.
            Das Mobiliar erscheint mir auch recht ungewöhnlich für Kappler Verhältnisse. Der Besitzer der Lokalität dürfte viel Geld investiert haben. Vielleicht hat er ja in der Lotterie gewonnen. Leider ist das Wandbild nicht genau zu erkennen. Es könnte aber Flensburg darstellen, sodass ich auf den Flensburger Hof tippen wollte. Doch die Räumlichkeiten hast Du bestimmt nicht betreten. Ich glaube, das Gebäude existiert überhaupt nicht mehr, oder doch ?.

  9. Rolf Nagel

    Ein Schuss in’s Blaue…..: „Alter Ratskrug“ ( die Fenster…? )

    1. admin

      … und ein Treffer in’s Schwarze! Nicht schlecht, Rolf!

  10. Heino Küster

    …nein, keine Lösung…

    Moin Achim,
    wir sind vermutlich alle zu jung, um in diesem Lokal Stammgast gewesen zu sein, scheint mir doch das Foto zu lange her. Ich glaube, da waren wir noch nicht einmal eine Idee für den viel zitierten „Quark im Schaufenster“.
    Eine Gaststätte, die diese Fenster und solch mondäne Stühle hatte, ist mir gänzlich unbekannt. Habe mal einige alte Kappelnbilder gegoogelt, ohne Erfolg. Die Häuser, die mir einfallen, haben nicht diese Fenster, und diejenigen mit ähnlichen Fenstern beherberg(t)en keine Lokale dieser Art. Also warte ich jetzt erstmal ab, was so an Kommentaren einläuft… ;-)

    Liebe Grüße für den Osterrest
    Heino

    1. admin

      Soo jung sind wir nun auch nicht (mehr :-( )! Zwar war ich dort kein Stammgast, aber an die Räumlichkeiten erinnere ich mich noch. Keine Bilder im Internet :?: Weitergoogeln :!:

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