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Okt 01 2012

Wie stehen Kappelns Schüler zueinander?

ROTSTIFT Nr. 17 (März 1968)Die freundliche Kritik von Rolf Nagel an meiner Formulierung „unsere Realschüler/-innen“ beim letzten Bilderrätsel hat mich daran erinnert, dass es in den Sechzigern mit dem Verhältnis der verschiedenen Schularten tatsächlich nicht gerade zum Besten bestellt war.

Nachdem der Herr Dehncke, der Leiter der Volksschule, sich schriftlich über abfällige Äußerungen von Gymnasiasten über Volksschüler beschwert hatte, hat sich der Rotstift in seiner Ausgabe Nr. 17 im Fühjahr 1968 dieses Themas angenommen und eine Umfrage unter den Kappelner Schülern durchgeführt.

Ein Zusammenfassung der Ergebnisse, verfasst von Manfred Raksochek, druckte der SCHLEI-BOTE am 4. April 1968.

 

Wie stehen Kappelns Schüler zueinander?

Interessantes Thema in der neuen „Rotstift“-Ausgabe

»Kappeln (mr). In der letzten Woche erschien wieder ein „Rotstift“, die Schülerzeitung des Gymnasiums, die zweite nach dem Wechsel der Redaktion. Nachdem die Untersekunda die Zeitung „macht“, Studienassessor Blieske fungiert als beratender Lehrer, hat sich das Niveau gehoben. In seinem Vorwort sagt der für diese Ausgabe verantwortliche Redakteur Gerd Freiwald, der „Rotstift“ werde in Zukunft ein oder zwei Themen behandeln, damit diese genauer untersucht und der Leser dann auch besser informiert werden könne.

Die beiden Hauptthemen der neuen Ausgabe sind das Verhältnis zwischen den Schülern der drei Kappelner Schulen und die Mitverantwortung der Schüler. Im folgenden sei auf das erste Thema eingegangen: Der Anlaß zu einer Befragung der Volks-, Real- und Oberschule war ein Brief Rektor Dehnckes an den „Rotstift“ wegen einer sehr unschönen Äußerung eines Gymnasiasten über die Volksschüler. Schülern aller drei Schulen wurde diese Frage gestellt:

  1. Besitzt Du Freunde unter den Schülern des Gymnasiums, der Realschule, der Volksschule?
  2. Grüßt Du noch Schüler des Gymnasiums, der Real-, der Volksschule, die früher Deine Klassenkameraden waren?
  3. Hast Du das Gefühl, daß bei Veranstaltungen die Schüler der einzelnen Schulen sich absondern?
  4. Was hast Du am Verhalten der Schüler der beiden anderen Schularten auszusetzen?
  5. Bist Du der Meinung, daß sich die Schüler um bessere Kontakte zu den Schülern der anderen Schulen bemühen sollten?
  6. Auf welche Weise sollten solche Kontakte gesucht werden?

Die erste Frage ergab, daß die Freundschaften der Realschüler deutlich zu den Volksschülern neigen, während die Freundschaften der Klaus-Harms-Schüler gleichmäßig verteilt sind. Frage 2 wurde von rund 96 Prozent aller Befragten mit ja beantwortet. Die dritte Frage ergab, daß 74 Prozent der Schüler meinten, eine Absonderung sei vorhanden. Die vierte Frage ist mit die wichtigste zum Verständnis des Verhältnisses zwischen den Schülern. 50 Prozent der Volksschüler hatten vieles an den Schülern der beiden anderen Schularten auszusetzen. Viele meinten, die Real- und Oberschüler glaubten, etwas Besseres zu sein, dabei treibe es die Unter- und Mittelstufe des Gymnasiums besonders schlimm. Einige Volksschüler meinten, die Gymnasiasten seien viel freundlicher als die Realschüler. Von diesen brachten 49 Prozent harte Kritik vor: Die Oberschüler seien „zu hochtrabend und die Volksschüler zu ordinär“. Außerdem wurde das Bestreben der Gymnasiasten, aufzufallen, und die „Schlagfreudigkeit“ der Volksschüler kritisiert. Die Klaus-Harms-Schüler vertraten in etwa gleicher Verteilung wie bei den Realschülern gleiche Meinungen wie diese und fanden das Verhalten ihrer Schulkollegen aus Volks- und Realschule beim Vorbeigehen ungehörig. Auf die letzten Fragen gab es verschiedene Antworten. Einig war man sich darin, daß sich jeder um bessere Kontakte zwischen den Schulen bemühen sollte. Dies sei durch gemeinsame Veranstaltungen wie Klassenfeste oder auch Sportfeste möglich.«

1 Kommentar

  1. Rolf Nagel

    Oh ha, da habe ich ja was ausgelöst…. ;-) – Sehr interessantes Thema allerdings; damals, wie heute; in Kappeln oder überall. – Es ließe sich dazu sehr viel sagen und das Thema aus diversen Perspektiven „beleuchten“. Es stimmt aber: Auch ich habe damals diese „Abgrenzungen“ wahrgenommen. Sicher hat das aber auch einen Zusammenhang mit den Lehrer und Schulleiterpersönlichkeiten gehabt , die sich wohl auch nicht wohlgesonnen waren. Der Über-bzw. Unterordnung der drei Schularten zueinander entsprach – und entspricht wohl ( zumindest tendenziell) bis in heutige Zeiten – die Ausbildung (und Bezahlung) der Lehrer an den verschiedenen Schularten: Ganz „unten“ die „Sonderschullehrer und die Hauptschullehrer ; in der „Mitte“ die Realschullehrer und „oben“ die Gymnasiallehrer, die ja zumeist ein Vollstudium abgeleistet hatten. So fühlten sich sicher damals die akademischen Studienräte an der KHS ihren Kollegen an den anderen Schulen sicher weit „überlegen“. Was wiederum einen „einfachen“ Schulleiter Dehncke sicher zusätzlich „angestachelt“ haben mag. – Ganz allgemein begann ja damals – 1968 – gerade erst der gesellschaftliche Umbruch, der die bis dato so klare „Schubladenverteilung“ in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in den Folgejahren und Jahrzehnten einigermaßen in’s Wanken brachte. Ich möchte aber behaupten, das wir nach wie vor von einer klaren „Schichtenverteilung“ mit Zuteilung der entsprechenden Chancen ( insbesondere auch was den Zugang zu weiterführenden Schulen betrifft sprechen können ). Die neuesten Bildungs- und Armutsberichte der Bundesregierung bestätigten dies, wie auch über die Jahre immer wieder die Ergebnisse der „Shell-Studie“ und anderer sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte. Meine persönlichen Erfahrungen und Empfindungen damals waren die, das ich einzelne „Volksschüler“ wegen ihrer in dem Artikel oben genannten „Schlagfertigkeit“ gefürchtet und auch verachtet habe, andere aber als gute Freunde hatte. Der Kontakt zu Freunden vor der „Ein-Aus – und Durchsortierung“ ( nach der vierten Klasse ) brach aber regelmäßig mit der Zeit ab. So handelte es sich in der Tat um recht homogene Gruppen, die sich auch im Freizeitverhalten „natürlich“ unterschieden. – Ich könnte mir vorstellen, das die Effekte von damals bis heute auch hier auf diesen Seiten wirksam sind, in dem sich kaum Schüler anderer Schularten nennenswert beteiligen.

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