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Sep 16 2011

Friedhelm Steinmetz – Lehrerporträt 1968

KlROTSTIFT Nr. 17 (März 1968)aus-Harms-Schule

Unter dem Motto

Ich würde ausgehen von der Tatsache, daß der junge Mensch, wie jeder Mensch überhaupt, träge ist.“

gibt es wieder einmal einen wirklichen Schulzeitartikel, nämlich ein Interview aus dem ROTSTIFT Nr. 17 (Frühjahr 1968) mit Friedhelm Steinmetz (Deutsch, Religion), Vertrauenslehrer in den Schuljahren 1966/67 und 1967/68.

 

ROTSTIFT Nr. 17 (Seite 30)ROTSTIFT Nr. 17 (Seite 31)ROTSTIFT Nr. 17 (Seite 32)

 

 

»Am 22. Februar baten wir Herrn Studienassessor Steinmetz um ein Interview, das er uns freundlich gewährte.

Zuerst stellten wir Fragen zu seiner Person.

„Geboren bin ich am 13.9.1936 in Recklinghausen. Mit zwei Jahren verzog ich mit meinen Eltern nach Kiel; dort ging ich zur Schule, machte mein Abitur und studiert auch hauptsächlich in Kiel; in Tübingen studierte ich ein Semester.

ROTSTIFT-Interview mit Herrn Steinmetz am 22. Februar 1968Das Fach Deutsch wählte ich, weil ich einen guten Deutschlehrer hatte und ich mich für Literatur zu interessieren begann. Als zweites Fach wählte ich Religion, weil ich in der evangelischen Jugend als Jugendleiter tätig war. Als Unterrichtsfach ist mir Deutsch lieber, persönlich mag ich Religion lieber, unterrichtlich ist es aber schwieriger. Meine persönlichen Lieblingsautoren sind die großen Romanciers, wie Kafka, Musil, Broch und Thomas Mann. Für die ganz modernen Autoren fehlt ja einfach noch der Beurteilungsmaßstab, denn ich glaube, daß viele Autoren, die heute hochgespielt werden, später vergessen sein werden. Im Unterricht stelle ich nicht so gerne die modernen Autoren neben die großen der älteren Zeit. Ich behandele sie mit, weil es aktuell ist und mein Fach es erfordert.

Meine Hobbys liegen hauptsächlich im Bereich der Kunst: Literatur, dann sammle ich Reproduktionen, der Filmclub. Ich höre auch Musik, bin aber nicht selbst aktiv. Früher spielte ich einmal Trompete, die ROTSTIFT-Interview mit Herrn Steinmetz am 22. Februar 1968Möglichkeit des Übens war aber zu gering. Dann muß ich mich auch irgendwie sportlich betätigen können. Turnen, Faustball, jetzt vor allem Volleyball. Mein liebstes Reiseziel ist der Süden. Hier im Norden ist der Sommer einfach zu kurz! Ich sehe auch fern: Spielfilme, Theaterstücke und gerne das 3. Programm. Und dann sehe ich sogar auch gerne Kuhlenkampf, aber sonst mag ich von diesen Showsendungen nicht viel sehen.“

Nach seinen ideellen und materiellen Wünschen befragt, sagte Herr Steinmetz:

„Mein besonderer ideeller Wunsch ist, sehr hochtrabend gesprochen, das Leben in etwa zu meistern. Materiell wünsche ich mir, daß die Familie gesund bleibt.“

Auf die Frage: Gibt es etwas, was Sie über alles hassen bzw. lieben? antwortete er:

„Was ich hasse, ist Borniertheit und engstirniger Fanatismus. Was ich besonders liebe, ist das Gegenteil: Aufgeschlossenes Verhalten, die Fähigkeit, sich dem Gespräch öffnen zu können.“

ROTSTIFT-Interview mit Herrn Steinmetz am 22. Februar 1968Singen Sie eigentlich in der Badewanne?

„Das ist mir von meiner Frau verboten worden, sonst täte ich’s.“

Was halten Sie eigentlich von den Studentendemonstrationen?

„Ja, eine Berechtigung haben sie ganz gewiß, und wir können nicht nur den Jüngeren die Schuld geben, sondern die ältere Generation trägt einen großen Teil der Schuld, daß so etwas möglich war. Einerseits ist es kein demokratisches Mittel, andererseits könnte ich mir vorstellen, daß es Fälle gibt, in denen die Demokratie mit undemokratischen Mitteln erhalten werden muß.“

Glauben Sie, daß auch durch die Springerpresse die Deutschen beeinflußt werden können?

„Ich trete wirklich für die Pressefreiheit ein, und ich glaube nicht, daß die Presse monopolisiert werden darf. Es ist sicher, daß die Menge durch eine zentral gesteuerte Presse beeinflußt wird.“

Glauben Sie, daß der deutsche Durchschnittsbürger allgemein zu traditionell und konservativ ist?

ROTSTIFT-Interview mit Herrn Steinmetz am 22. Februar 1968„Der deutsche Durchschnittsbürger ist ja jetzt wohl im Aufbruch begriffen, gerade durch die Demonstrationen der letzten Zeit. Vorher war er auf jeden Fall zu traditionell, ja!“

Was halten Sie davon, wenn die Mädchen der Oberstufe nicht mehr aufstehen, wenn der Lehrer den Raum betritt?

„In der OI ist es bei mir so Sitte, daß die ganze Klasse nicht mehr aufsteht. Dagegen hätte ich also nichts. Ich würde aber sagen, daß das nicht nur für die Mädchen gelten sollte!“

Halten Sie es für richtig, wenn man in der Schule sexuell aufgeklärt wird, oder sollten es lieber die Eltern machen?

„Doch, das halte ich für richtig. In der Biologiestunde sollte die sachliche Information gegeben werden; das sollte verbunden werden mit Unterweisung eines Lehrers, der sich dazu berufen fühlt (also nicht nur Religions- und Deutschlehrer), die ethische Verankerung zu geben. Denn sachliche Information allein genügt nicht.“

Jetzt einige Fragen zur SMV. Welche Aufgabe hat überhaupt die SMV?

„Ich würde ausgehen von der Tatsache, daß der junge Mensch, wie jeder Mensch überhaupt, träge ist. Er engagiert sich sogar weniger als frühere Generationen. Die Aufgabe der SMV also wäre, Initiative auf allen Seiten der Schülerschaft zu entwickeln, damit diese dann gewisse Aufgaben selbst verantwortlich übernehmen kann.“

ROTSTIFT-Interview mit Herrn Steinmetz am 22. Februar 1968Glauben Sie, daß die SMV überhaupt einen Sinn hat?

Das hat sie sicherlich, denn es gibt ja Schulen, an denen eine aktive SMV wirksam ist. Das hängt aber letztenendes von Führungsgestalten ab.“

Müßten die SMV-Sitzungen nicht regelmäßig abgehalten werden und nicht in so großen Abständen?

„Ja, das würde ich auch sagen. Dann würden die Schüler dazu angehalten, zu berichten, und das kann man ja nur, wenn man etwas getan hat.“

Glauben Sie, daß die SMV an unserer Schule in irgendeiner Weise akvtiviert werden könnte, und wenn, wie?

„Ja, das glaube ich, das könnte sie. Man müßte versuchen, mehr Schüler zu interessieren. Es gibt wohl einige aktive Schüler, die aber gleichzeitig in vielen anderen Schulorganisationen drin sind, so daß diese Schüler überbelastet sind.“

Welche Rolle spielt der Vertrauenslehrer innerhalb der SMV?

„Ja, anzuhalten zur Initiative, und dann Gespräche, nicht nur unter den Schülern, sondern auch zwischen Lehrern und Schülern, zu ermöglichen. Eine Art Doppelrolle: einmal die Beziehung Schüler/Lehrer mitzugestalten, und zum anderen die Schüler zur Übernahme von Aufgaben anzuregen.“

Es heißt doch Vertrauenslehrer. Hat sich Ihnen schon einmal ein Schüler anvertraut?

„Ja, mehrmals!“

Haben Sie als Vertrauenslehrer eine besondere Funktion oder Stellung im Lehrerkollegium?

„Ich habe eine Stunde weniger, aber das ist keine Funktion. Aber wenn auf Konferenzen über Schüler gesprochen wird, dann wird sehr häufig der Vertrauenslehrer gefragt.“

Haben Sie irgendwelche Ziele als Vertrauenslehrer?

„Ja, da sind vor allem die Aufgaben zu nennen, denen man selber gewachsen ist und die man vertreten kann. Mein persönliches Ziel ist es z. B., daß der Jugendfilmclub in die Leitung der SMV übergeht und von ihr ganz getragen wird!“

Wir danken Ihnen, Herr Steinmetz, für das Interview und für die bereitwillige Beantwortung unserer Fragen!

Ulrike Franke OIIs – Käthe Stäcker OIIs«