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Mai 05 2020

Von Kiel nach Kappeln (1)

Vor kurzem sind mir die privaten Lebenserinnerungen eines alten Kapplers in die Hände gefallen,
aus denen ich hier ein paar Auszüge wiedergeben möchte.

Von Kiel nach Kappeln

von Erich Thomsen

~ (1) Kiel ~

Als ich 1932 geboren wurde, wohnten meine Eltern bei meinen Großeltern in Kiel-Gaarden,
Iltisstraße 31, im Hause der Schlachterei Möbitz. Die Wohnung lag in der vierten Etage, rechts. Nicht sehr groß. Oma und Opa schliefen im Wohnzimmer – Betten hintereinander, Vertiko, Sofa, Tisch und Stühle, Nähmaschine, hoher Spiegel mit Konsole, hoher Kachelofen, Linoleumteppichbelag!

Nebenan das Schlafzimmer hatten meine Eltern. Moderne Betten, Nachttische, Frisierkommode, Schrank, Wäschetruhe, ebenfalls hoher Kachelofen und weil ich kam, noch ein Kinderbett.

Vom Flur ging es dem Schlafzimmer gegenüber in die Küche mit anschließendem Balkon. Der Flur war so lang wie beide Zimmer und hatte am Ende eine Nische, die so breit war, dass hier ein Schrank mit 1,20 m gerade noch stehen konnte. Ebenfalls eine Flurgarderobe. Die Küche hatte eine kleine, hohe Speisekammer, Küchenschrank, Tisch und Stühle, einen Gasherd. Hier in der Küche lief alles ab.

Linoleumteppichbelag war schön rutschig. Mit den Knien auf einem Sofakissen und mit den Händen abgestoßen, das machte Spaß!

Mein Vater, geboren 1910 in Kappeln, war als Elektriker bei der „Deutschen Werke AG“ beschäftigt. Oma und Mutter hatten in der Wilhelmstraße die Treppenhäuser von drei Villen sauber zu halten. Meinetwegen haben sie sich wohl gegenseitig ablösen müssen.

1938 war ich zur Schule gekommen. Die Schule lag am Ende unserer Straße und hieß „Iltisschule“. Mädchen und Jungen getrennt. Wir haben seinerzeit noch die Deutsche Schreibschrift gelernt und zwar Sütterlin-Schrift auf der Schiefertafel mit Griffel, Schwamm und Trockentuch.

Ein Jahr später, am 1. September 1939, ging es mit dem 2. Weltkrieg los. In den Pausen wurden auf dem Schulhof Bombensplitter in Zigarrenkisten herumgezeigt und getauscht. Kiel wurde schon früh, am Anfang des Krieges, bombardiert. In jedem Haus gab es einen Luftschutzkeller. Wenn es Alarm gab, kamen die Hausbewohner hier zusammen. Alle saßen still und ängstlich, jeder auf seinem Platz. Wenn die Erde erschüttert wurde, wie bei einem Erdbeben, wenn die Bomben in der Nähe einschlugen, hatte man doch „Schiss“.

Die Männer gingen vor die Hoftür, um zuzusehen, wenn die „Finger“ der Scheinwerfer ein feindliches Flugzeug anstrahlten und die Flak den Abschuss versuchte. Natürlich war es wohl auch wegen der Zigaretten, die ja im Luftschutzraum nicht geraucht werden durften.

In einer Nacht waren oft mehrere Angriffe, so dass man sich gar nicht erst auszog, um schnell die immer fertig gepackten Koffer schnappen zu können und in den Keller zu laufen. Nach jedem Angriff wurde der Dachboden kontrolliert, ob nicht irgendwo eine Brandbombe Schaden angerichtet hatte. Bei schweren Angriffen suchten die Familien sich gegenseitig auf, um festzustellen, ob bei den Verwandten die Häuser noch standen.

Der Krieg wurde immer heftiger. Mit den Bombenabwürfen fielen Luftminen und Phosphorbomben.

Jetzt mussten die Einwohner die Luftschutzbunker aufsuchen. Für uns war es der Iltisbunker. Er lag auf halbem Weg zu unserer Schule. Es war jedes Mal eine Völkerwanderung. Die Bevölkerung wurde über den Rundfunksender mit einer Vorwarnung informiert, z. B. „Großer Bomberverband in Anflug auf Kiel“ oder Ähnliches.

Nachts wurde entsprechend früh Alarm ausgelöst. Oft haben meine Oma und ich die Flugzeuge schon am Brummen der Motoren gehört und der Alarm kam prompt.

1940 sagte mein Vater: „Jetzt bringe ich euch nach Kappeln“.

Von Kiel nach Kappeln (2)

folgt in Kürze – falls Interesse besteht. lol

Kapitelübersicht

(1) Kiel | (2) Kappeln | (3.1) Gotenhafen | (3.2) Gotenhafen | (4.1) Kappeln | (4.2) Kappeln

11 Kommentare

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  1. Holger Petersen

    Ich habe sogar ziemlich großes Interesse! Habe ich doch selbst zu Beginn meines Studiums einige Zeit in der Iltisstraße gewohnt. Im Erdgeschoss des Hauses Nr. 14 befand sich ein "Eisladen", der nach meinem Eindruck mit losem Speiseeis einen relativ kleinen Umsatz machte. Man konnte dort nämlich auch alle Art verpackte Lebensmittel wie z.B. Brot, Käse und Wurst sowie Getränke erwerben, und zwar bis 21.00 Uhr, so dass man insoweit den damals noch recht strengen Einkaufszeit-Beschränkungen ein kleines Schnippchen schlagen konnte. Ich habe mich immer wieder über den relativ großen Zulauf gegen Abend gewundert…
    Im ersten Stock wohnte der Hausmeister und Rentner Rudi, der den Flur, von dem aus die im Dachgeschoss befindlichen Buden zu betreten war, mit den üblichen Hinweisen plakatiert hatte: "Licht aus!" und "Tür zu!". Aber Rudi hat mir auch meinen ersten Studentenjob vermittelt, denn er arbeitete nebenher als Nachtwächter bei der KWS (=Kieler Wach- und Schließ). So habe ich einige Male -vorzugsweise an 24-stündigen Wochenendschichten- Vertretungen für Rudi gemacht. Schlafen war zwar offiziell untersagt, es stand aber eine Klappliege im Raum hinter dem "Empfangsschalter". Zu bewachen waren bei diesem Job in der Wik das Landesamt für Besoldung und die angeschlossenen Landesämter, wie z.B. Statistisches Landesamt, Straßen und Verkehr sowie Vermessungswesen. Die einzelnen Gebäude waren kellertechnisch alle miteinander verknüpft und in diesen Gängen hatte man in bestimmten Zeitabständen seine Stechuhrrunden zu drehen. Am Hochhaus hat mir gut gefallen, dass man auf das Dach gelangen konnte, von dem aus man einen genialen Blick auf die Kieler Förde genießen konnte…

    1. admin

      Wenn du deine Gaarden-Affinität vertiefen möchtest, empfehle ich dir – und natürlich allen anderen, die dort mal gewohnt haben – dieses Buch:
      https://portal.dnb.de/opac/mvb/cover.htm?isbn=978-3-89876-841-2 ,
      in dem sich übrigens auch ein ganzes Kapitel über die Schlachterei Möbitz befindet.
      Hier noch ein Link:
      https://www.shz.de/lokales/ostholsteiner-anzeiger/damit-gaarden-nicht-vergessen-wird-id5287511.html

    2. Katr!n Wummel

      Kult war zu meiner Zeit die Bambule. Und natürlich Werftpark. Und ich habe in den Semesterferien Post ausgetragen in Karlstal und Nebenstraße. Lammfleisch könnte man gut in Garden besorgen.

      1. Katr!n Wummel

        Und natürlich Räucherei und alte Räucherei .. :-)

  2. Karl-Erich Henrici

    Natürlich besteht Interesse.

  3. Konrad Reinhardt

    …………… habe Interesse.

  4. Wolfgang Dieckmann

    unbedingt weiter,die Generation wird älter!

  5. Michaela Fiering

    Gerne mehr !!!

  6. Claus Poppenhusen

    sehr gern mehr davon, meine Familie ist auch eng mit Kiel verbunden

  7. Heino Küster

    Ja, gerne mehr davon ! ;-)

  8. Runa Borkenstein

    :) ja, bitte "Von Kiel nach Kappeln" (2 und mehr) :)

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