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Jun 28 2023

Bilderrätsel Nr. 661 – Bob Dylan | Renaldo & Clara

bebopalulaVor 45 Jahren

Ein Screenshot aus einem Film, mit dem ich mich gerade beschäftige.
Lief 1980 im ZDF.

Frage: Wer ist das und wie hieß (gibt’s nämlich nicht mehr) der Film von 1978?

Bob Dylan | Renaldo & Clara

Bilderrätsel Nr. 661

Bob Dylan wurde erraten von Dirk und Hans-Werner sowie Heino und Katr!n, die zudem auf die Rolling Thunder Revue tippten, was ebenfalls bedingt richtig ist. Der ursprüngliche Film dazu hieß aber Renaldo & Clara, wie Dirk richtig geschrieben hat.

Videorekorder

1979 – wir waren gerade aus der Rathausstraße 11 ausgezogen – wohnten wir für kurze Zeit in einer 3 ½-Zimmer-Wohnung im ersten Stock am Ende der Harmsstraße in Kiel.

Hier war ich Claus Harms, der nie direkt etwas mit Kappeln zu tun hatte, ein ganzes Stückchen näher als zu meiner Schulzeit.

Damals ging ein Jugendtraum in Erfüllung. Durch die Einführung des Videorekorders Ende 1977 konnte man endlich Kinofilme usw. aus dem Fernsehen aufzeichnen und sich so oft und wann man wollte wieder anschauen.

Mein erster VHS-Videorekorder von Brinckmann in Kiel kostete 1979 etwa tausend DM.

Da es damals noch kein Kabel- und Satelliten-Fernsehen gab, musste für den Empfang zunächst eine Zimmerantenne herhalten. Wir haben dann auch auf dem kleinen Balkon zur Harmsstraße eine Dachantenne abgelegt, die den Empfang etwas verbesserte.

Mit dem Erwerb des Rekorders hatte ich zehn E-180-Kassetten gekauft, die damals noch 20-30 DM pro Stück kosteten und deshalb höchst ökonomisch genutzt werden mussten.

Was musste ich unbedingt haben und was war den Preis einfach nicht wert? Nun war das TV-Angebot, was Spielfilme betraf, damals mehr als bescheiden, dafür gab es aber z. B. eine kleine „Best Of Beat-Club“-Reihe, in der u. a. noch einmal alte Beatles- und Stones-Videos gezeigt wurden. Für Leute wie mich sensationell. Meine Güte, wie oft habe ich mir das immer wieder angeschaut!

Gleichzeitig schossen diverse Videotheken aus dem Boden und boten leihweise für wenig Geld vieles an, was im Fernsehen nicht oder noch lange nicht lief.

Ich könnte hier jetzt grob dokumentieren, was ich damals alles aufgezeichnet habe, möchte mich aber auf ein wirklich einzigartiges Ereignis beschränken.

Am 7. und 8. Juli 1980 lief im ZDF der fast vier Stunden lange Kinofilm

Renaldo & Clara

mit Bob Dylan, Sara Dylan und Joan Baez sowie Ronee Blakley, David Blue, T-Bone Burnett, Rubin „Hurricane“ Carter, Jack Elliott, Roberta Flack, Allen Ginsberg, Arlo Guthrie, Ronnie Hawkins, Helena Kallianiotes, David Mansfield, Roger McGuinn, Joni Mitchell, Bob Neuwirth, Phil Ochs, Scarlet Rivera, Mick Ronson, Arlen Roth, Sam Shepard, Larry Sloman, Steven Soles, Harry Dean Stanton, Rob Stoner, Anne Waldman, Howie Wyeth

Produktion: Mel Howard | Kamera: Howard Alk, David Meyers und Paul Goldsmith
Buch: Bob Dylan und Sam Shepard | Regie: Bob Dylan | USA 1978

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Wegen der Länge wurde der Film in zwei Teilen gesendet und benötigte für die Aufzeichnung zwei meiner kostbaren Kassetten.

Nachdem ich mir die 2021 erschienene Blu-ray Rolling Thunder Revue kürzlich zum wiederholten Mal angeschaut habe, habe ich mir zum Vergleich auch noch einmal Renaldo & Clara in voller Länge reingezogen – ein hartes Stück Arbeit, aber um authentisch zu bleiben, geht es nicht anders.

Mein Eindruck war der gleiche wie vor über vierzig Jahren: ein verstörender Mix aus Langeweile und Faszination. Eine auf mehreren Ebenen angesiedelte tragische Liebesgeschichte – ergänzt durch z. T. zufällige und teils viel zu lange echte oder inszenierte Dokumentaraufnahmen sowie diverse Konzertaufnahmen der Rolling Thunder Revue 1975.

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Diese Mitschnitte, aus denen der Film aber nur zu etwa 20 Prozent besteht, sind klasse, auch alle anderen musikalischen Darbietungen sowie die vielen teils amüsanten Szenen mit Allen Ginsberg gefallen mir gut.

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Ansonsten wabert über weite Strecken des Films der Fluch von korrupter Politik und Justiz eines nach „Watergate“ und Vietnamkrieg traumatisierten Landes einerseits und die besitzergreifende Macht der Frauen – allen voran Clara (Sara Dylan) und die „Woman in White“ (Joan Baez), zwischen denen Renaldo (Bob Dylan) sich hin- und hergerissen fühlt, andererseits.

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Dass Bob und Sarah Dylan sich zur Zeit des Drehs bereits in Trennung befanden und Joan Baez sich schon immer zu Bob hingezogen fühlte, macht das „gespielte“ Beziehungschaos besonders delikat, aber leider auch sehr langatmig.

Am 25. Januar 1978 kam Renaldo & Clara in der Langfassung in den USA in die Kinos, wurde von der Kritik verrissen und das Publikum blieb aus.

Schon wenige Wochen später wurde der Film mit Dylans Einverständnis auf eine 2-Stunden-Fassung gekürzt, die mehr die Konzertaufnahmen herausstellte und auf viele dramatische Spielszenen verzichtete. Aber auch diese Version blieb erfolglos.

Renaldo & Clara (USA 1978) - Kino-Poster (Langfassung)Renaldo & Clara (USA 1978) - Kino-Poster (Gekürzte Fassung)

In Europa lief der Film in der Langfassung noch in einzelnen Kinos in London, Newcastle und Dublin, aber auch im Hamburger „Abaton“, im Berliner „Kantkino“, Frankfurts „Harmonie“ und Münchens „Neuem Arri“.

Nachdem er dann in Deutschland, Finnland und Großbritannien schließlich noch im TV gezeigt worden war, zog Dylan den Film komplett zurück und seitdem ist er nahezu „verschwunden“.

Schade um die wirklich großartigen Live-Aufnahmen, die Dylan mit weiß geschminktem Kabuki-Gesicht und Blumen im breitkrempigen Hut als Performer auf der Höhe seiner Kunst zeigen. Flankiert von der mysteriösen Violinistin Scarlet Rivera, die er der Legende nach auf der Straße in Manhattans Lower East Side entdeckt hatte, bellt er seine Songs, fletscht die Zähne, rollt die Augen und schickt verschlagene, herrische Blicke ins Publikum und zu seinen Musikern.

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot
Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Renaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-ScreenshotRenaldo & Clara (USA 1978) - VHS-Screenshot

Für mich privat habe ich die Konzertaufnahmen aus Renaldo & Clara mal auf ca. 45 Minuten zusammengeschnitten.

When I Paint My Masterpiece
Isis
A Hard Rain’s a-Gonna Fall
It Ain’t Me Babe
It Takes a Lot to Laugh, It Takes a Train to Cry
Romance in Durango
One More Cup of Coffee
Sara
Never Let Me Go (Bob Dylan and Joan Baez)
Tangled Up in Blue
Just Like a Woman
Knockin‘ on Heaven’s Door
Eight Miles High (intrumental, Roger McGuinn)

Renaldo & Clara ~ Film-Vorspann (VHS)
When I Paint My Masterpiece

The Rolling Thunder Revue

Ein paar kurze Momentaufnahmen aus Renaldo & Clara waren 1991 im Videoclip zu Series Of Dreams zu sehen.

Aber erste komplette Konzert-Mitschnitte wurden erst 2002 auf einer Bonus-DVD zur Doppel-CD The Bootleg Series Vol. 5: Bob Dylan Live 1975, The Rolling Thunder Revue offiziell veröffentlicht: Tangled Up In Blue und Isis.

Bob Dylan Live 1975 - CD-Cover (2002)Bob Dylan Live 1975 - Bonus-DVD-Cover (2002)

Schließlich nahm sich der Altmeister Martin Scorsese des Themas an und erschuf auf der Basis des „Renaldo & Clara“-Materials etwas ganz Neues – konzeptionell vergleichbar gestrickt wie Dylans eigener Film, aber aufbereitet als eine Art „Dokumentation“ über die Rolling Thunder Revue 1975 – thematisch eingebettet in das zerrissene Amerika der 70er-Jahre.

Das Ganze wurde von Netflix produziert und erschien dann auf Blu-ray  in der Criterion Collection (dazu ein andermal mehr).

Rolling Thunder Revue: A Bob Dylan Story by Martin Scorsese
Altersfreigabe:12 (Netflix 2019) | 15 (UK-DVD/Blu-ray 2021)
Länge: 2 Std. 22 Min. (+ Bonus-Material)

Rolling Thunder Revue - Blu-ray Cover (2021)

Fast alle (sowie zusätzliche) Konzertmitschnitte, aber auch viele weitere Originalaufnahmen aus Renaldo & Clara tauchen hier – natürlich perfekt restauriert – wieder auf.

Und der weise alte Dylan gibt verschmitzt seinen Senf dazu. Rolling Thunder Revue? „It was so long ago, I wasn’t even born.“ Was von allem geblieben sei? „Nothing! Ashes!“

Spielerisch begleitet er mit seinem Kommentar alles, was Scorsese sich schlichtweg ausgedacht hat: den Filmemacher, den Konzert-Promoter, den Kongressabgeordneten und wohl sogar die Geschichte um Sharon Stone.

Entstanden ist ein perfektes Potpourri aus Fakten und Fakes, aus Fiktion und Selbstdarstellung, aus Tatsachen und Tünkram. Eine wahre Wundertüte aus Dokumentation, Spielerei, Zirkuszauber und Blendwerk.

Und gerade weil man nicht alles glauben darf, was hier eindrucksvoll „dokumentarisch“ berichtet wird, macht der Film gewaltig Spaß – „Döntjes mit Bob Dylan“, wie der Spiegel es nannte.

Netflix-Trailer: Rolling Thunder Revue

Audiomäßig erschien übrigens mit der 14-CD-Box The Rolling Thunder Revue: The 1975 Live Recordings 2019 parallel zu Scorseses Netflix-Produktion eine Collection der besten ca. 160 auf der Tour aufgenommenen Titel.

Rolling Thunder Revue - 14 CD-Box (2019)

Wer’s braucht … wink

8 Kommentare

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  1. Runa Borkenstein

    Michael Jackson

  2. Katr!n Wummel

    Martin Scorsese’s Rolling Thunder Revue: a Bob Dylan Story?

  3. Hans-Werner Panthel

    Bob Dylan.

  4. Dirk H. Rahn

    Bob Dylan, Film "Renaldo & Clara"

  5. Heino Küster

    Bob Dylan – The Rolling Thunder Revue
    The 1975 Live Recordings
    Album von Bob Dylan

    Gab es dazu einen Film?

  6. admin

    Kleiner Tipp:
    Der Mann hat ein weiß geschminktes Gesicht und trägt eine durchsichtige Maske.
    Warum?
    „When somebody's wearing a mask, he's gonna tell you the truth.“

  7. Dietrich von Horn

    Muddy Waters

  8. Runa Borkenstein

    Indiana Jones

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