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Jun 20 2023

KI – und wie!

bebopalula

Nach meinem kürzlich veröffentlichten – nicht ganz ernst gemeinten – KI-Beitrag komme ich – bestimmt nicht zum letzten Mal – auf dieses Thema zurück.

Zunächst einmal: ChatGPT ist nicht wirklich „intelligent“, kann aber sehr viel mehr, als ich euch hier spaßeshalber präsentiert habe. Um es zu testen, ist es hilfreich, Fragen zu stellen, deren richtige Antworten man bereits kennt.

Ich habe mir auch eine Beschreibung dieses Blogs fertigen lassen. Dauerte keine zwei Minuten und füllte zwei DIN A4-Seiten. Hörte sich gut an und wies auch kaum gravierende Fehler auf.

Nächster Versuch: gleiches Thema, aber als „Limerick“, auch nicht schlecht. Dann habe ich mir noch einige Gedichte schreiben lassen, zunächst im Stil von Wilhelm Busch über die Amsel, die Meise und den Spatz.

Zum Spatz habe ich auch die Herren Goethe, Schiller und Rilke reimen lassen. Das Versmaß ist noch verbesesserungswürdig, ansonsten alles überaus akzeptable Ergebnisse.

Nachdem ChatGPT gerade erst vor einem halben Jahr veröffentlicht wurde und bereits zwei Monate später über 100 Millionen Nutzer hatte, geht das Thema KI durch alle Medien.

Bei den neuesten Nachrichten aus Deutschland ging es vor kurzem um eine Abi-Prüfung in Hamburg, bei der man sich dummerweise ertappen ließ. Interessant dazu war die ergänzende Berichterstattung über einen Versuch in Bayern, wo ChatGPT das Abi mit einer glatten „2“ bestanden hätte. Für ein „sehr gut“ fehlte es nur etwas an „Tiefe“.

Eigentlich wollte ich meinen letzten Beitrag über ChatGPT hier nur etwas relativieren, weil ich das Ganze sehr ernsthaft verfolge. Meine Bedenken und meine Begeisterung halten sich im Moment noch die Waage.

Aber zumindest muss ich feststellen, dass ich nach fast 40 Jahren PC noch nie eine effektivere und gleichzeitig einfacher zu bedienende Anwendung erlebt habe.

Dabei ist ChatGPT noch lange nicht alles. Z. B. sind derzeit Google und Microsoft auf der Zielgeraden, in ihre Suchmaschinen eigene Chat-Bots zu integrieren.

Und auf dem PC-Sektor habe ich gerade eine Bild-Software auf KI-Basis entdeckt, die aus einfach formulierten Ideen phantastische „Kunstwerke“ zaubert, egal ob als Gemälde, Bleistiftzeichnung oder Foto.

Und eine, wo man Texte eintippt und von Angela Merkel oder Dieter Bohlen „sprechen“ lässt. (Nicht erschrecken – es gibt auch noch ein paar hundert andere Stimmen. smile ) Man kennt das schon lange als Navi-Stimmen fürs Auto, aber da haben die Protagonisten ja noch vorgefertigte Texte eingelesen wie „Wenn möglich, bitte wenden.“, gesprochen von Atze Schröder. Ob der es jetzt auch in die Sprecher-Liste geschafft hat, weiß ich noch nicht. Ich bleibe aber dran.

Ich gebe zu, die Einleitung ist viel zu lang geraten – ging aber nicht anders.

Worüber ich eigentlich berichten möchte, ist der KI-Einsatz in der Musik-Industrie – soweit er dort angekommen ist.

Ich spreche nicht über die Produktionen der letzten 50 Jahre, sondern über das, was davor passierte.

In den frühen Sechzigern gab es in den professionellen Aufnahmestudios in England und in den USA eigentlich nur das, was wir kurz darauf fast auch schon zu Hause hatten: 2- bzw. 4-Spur-Tonbandgeräte.

Mehr brauchte man auch nicht, denn die auf diesen Aufnahmen basierten Schallplatten erschienen ohnehin (erstmal) alle in MONO.

Die ursprünglich nicht so geplanten STEREO-Veröffentlichungen folgten einfach nur der neuen Markt-Nachfrage. Einige Plattenfirmen warfen sogar unter Bezeichnungen wie „Royal Stereo“ u. ä. durch simple Hall-Effekte auf zwei Hör-Kanäle getrimmte Produkte auf den Markt, bei denen man schon damal als „Kenner“ das Grausen bekam.

In den Sechzigern hatten die meisten von uns noch gar keine Stereo-Anlage und da klangen diese Dinger dann doppelt gruselig. Ein Parade-Beispiel waren die Rolling Stones bzw. deren Plattenfirma DECCA. Schlimm, schlimm, schlimm. Ich habe zwei Jahrzehnte gebraucht, um die Original-Mono-Aufnahmen auf Band zu kriegen.

Trotzdem gab es in den Sechzigern schon viele 2-Spur-Aufnahmen, die wirklich gut klangen, vor allem, wenn der Gesang möglichst mittig rüberkam.

Dieses Phänomen ist mir besonders bewusst geworden, als ich mir 2009 mein letztes Auto gekauft habe und nach jahrzehntelanger Cassetten-Musik plötzlich und unerwartet eine SD-Karte als Medium – sowohl für das Navi als auch für meine Musik – nutzen konnte.

Daraufhin habe ich das Beste vom Besten, was ich an Musik aus den Sechzigern auf CD vorrätig hatte, in mp3-Dateien umgewandelt und die etwas über tausend Titel auf dieses Speichermedium kopiert, das bis heute meine komplette Autofahrmusik enthält.

Über Jahre ärgerte mich dabei allerdings das oben beschriebene Links-rechts-Phänomen, wenn auf der Fahrerseite Begleitmusik ertönt und ganz rechts außen gesungen und/oder getrommelt wird.

Also habe ich im letzten Jahr nach der vorläufigen Beendigung meiner Internetaktivitäten beschlossen, diesem Zustand ebenfalls ein Ende zu bereiten und im Auto nur noch MONO-Aufnahmen zu hören.

Beim Durchhören der tausend Titel kam dann eine ganz andere Idee in mir hoch: gibt es meine fast 400 MONO-Tracks eventuell inzwischen auch in STEREO? Eigentlich höre ich ja zu Hause mehr Musik als im Auto!

Vor einem Jahr begann die Recherche. Zunächst Rückfrage und Abgleich mit Eckehard, dann das Abenteuer Internet.

Ich habe viele tausend auf STEREO getrimmte Titel gefunden, etwa tausend davon angehört und schließlich ein paar wenige hundert für gut oder sehr gut befunden.

Die interessanteste Erkenntnis hatte ich sehr schnell. Es gibt KI-basierte Programme, die solche Transformationen ermöglichen.

Das Prinzip ist eigentlich simpel. Es geht immer nur um das Phänomen „Mustererkenung“, für das ich mich schon vor über 30 Jahren interessiert habe und das in den letzten zwei Jahrzehnten auf diversen Gebieten weiter fortgeschritten ist als in vielen Sci-Fi-Filmen davor.

Wenn man z. B. in China einen Vergnügungspark besucht, wird der Eintritt direkt vom Konto abgebucht, weil dich der Betreiber scannt, erkennt und vollen persönlichen Datenzugriff hat.

Gerade berät die EU darüber, wie man bei uns den Einstaz genau solcher Möglichkeiten rechtlich unterbinden kann usw.

Wenn die KI jetzt schon seit Jahren viel „schlauer“ ist, als wir gerade erschrocken feststellen, frage auch ich mich, wie ich damit umgehe.

Lässt man sie machen oder kann man sie hilfreich nutzen, ohne sich in eine gefährliche Sackgasse zu begeben?

Die „Mustererkenung“ im Musikbereich basiert einfach auf der Erkennung und Isolierung der beteiligten Instrumente bzw. menschlichen Stimmen.

Allerdings bedarf das erneute Zusammensetzen dieser digitalen Audio-Informationen immer noch größter Sorgfalt und Kenntnis des Originals sowie der ursprünglichen Entstehungsumstände, wenn es „echt“ klingen soll.

Wer was wie benutzt, ist mir unklar, aber leider haben viele „uninspirierte“ Anwender*innen auf „Knopfdruck“ gearbeitet, was meine Reduktion von tausenden auf ein paar hundert Titel erklärt.

Hier drei nahezu perfekt gelungene

Beispiele

Der „Umschnitt“ von Mono auf Stereo erfolgt jeweils nach 41-44 Sekunden. Habe ich auch nahezu perfekt hingekriegt. lol

The Troggs – Wild Thing (1966)

The Troggs

Stereo-Fassung von 2021 (ab 0:44)

The Kinks – Sunny Afternoon (1966)

The Kinks

Stereo-Fassung von 2020 (ab 0:43)

The Rolling Stones – (I Can’t Get No) Satisfaction

The Rolling Stones

Stereo-Fassung von 2023 (ab 0:41)

Eckehard und ich waren uns einig bei der Frage: „Wenn man damit so gute Ergebnisse erzielen kann, warum benutzen es die professionellen Studios dann nicht?“

Ein paar Monate später war die Frage obsolet. Da erschien die erste „offiziell“ neu mit KI-Unterstützung abgemischte Langspielplatte Revolver von den Beatles.

Durch den Einsatz von KI-Technologie, die von Peter Jacksons Wingnut-Team entwickelt wurde, um die Studioszenen in der Get Back-Doku-Reihe klar und deutlich zu vertonen, erkannte Giles Martin schnell, dass dies ein Weg sein könnte, die 4-Spur-Bänder zu »entschlüsseln« und die Instrumente voneinander zu trennen, um das zu schaffen, was bis jetzt unmöglich war.

Mit der Hilfe und dem Einsatz von Zeit, Computerressourcen und einem sehr cleveren und engagierten Team wurden aus den 4 Spuren nach und nach Multitracks, so dass wir nun in der Lage sind, diesen wirklich atemberaubenden, aufregenden und bahnbrechenden Remix von »Revolver« zu veröffentlichen.

Falls sich jemand diese grandiose Neuproduktion – die in diversen Variationen veröffentlicht wurde – zulegen möchte, empfehle ich die 2-CD-Version, auf der auch Paperback Writer und Rain in einer zuvor noch nie gehörten Qualität drauf sind.

The Beatles - Revolver - CD 2022

Und jetzt hat Paul McCartney, der am Sonntag 81 Jahre alt geworden ist, einen mithilfe derselben Methode produzierten „letzten“ wink Beatles-Song angekündigt, der in diesem Jahr veröffentlicht wird. Wahrscheinlich handelt es sich um „Now And Then“, einen unveröffentlichten John Lennon-Song auf der Grundlage eines alten Demo-Tapes.

So etwas gab es bereits 1995, als zur Veröffentlichung der Beatles-Anthology die von Yoko Ono freigegebenen John Lennon-Demo-Aufnahmen Grow Old With Me, Now And Then, Real Love und Free As A Bird in Zusammenarbeit mit Jeff Lynne (meinem Lieblings-Produzenten) digital überarbeitet wurden. Das klang schon ganz nett, aber doch irgendwie „künstlich“.

Mit „KI“ wird die angekündigte Veröffentlichung hingegen bestimmt wirklich „echt“ klingen. Verrückt, oder?

Bis dahin hoffe ich mit Eckehard, dass Rubber Soul die nächste Beatles-Wiederveröffentlichung sein wird, die auf diese Weise neu abgemischt wird. Eine der besten Platten überhaupt.

Die englische Original-Mono-LP von 1965 habe ich mal aus dem Plattenregal geholt und für das Foto mein von Klaus Voormann 2016 neu gestaltetes Revolver-T-Shirt angelegt. Passt alles gerade irgendwie.

The Beatles - Rubber Soul - LP 1965

4 Kommentare

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  1. Eckehard Tebbe

    Achim, da du – ich bin da technisch total der Laie – offenbar den Durchblick hast, solltest du vielleicht mal in das Gewerbe einsteigen. Du – auch mein Kumpel Norbert – hast ja nun schon das Netz gefiltert bis zum Abwinken und auch die Schwächen anderer Freaks erkannt. Kann ich alles nachvollziehen. Es gibt großartig produzierte Tracks und auch viel Schrott. Wobei grandiose Mono-Produktionen (Spector und Meek z.B.) natürlich nie so richtig das Stereo-Optimum erreichen, jedenfalls bis jetzt. Nahezu perfekt sind aber die neu produzierten Stereo-CDs von Eric-Hitparade-Records (Buddy Holly, Chuck Berry, Fats Domino & massig Compilations). Einfach mal reinhören, wer's noch nicht versucht hat. Da hat die KI offenbar tatsächlich mal was geleistet, denn die uralten Tracks klingen grandios.
    Ansonsten sag ich einfach mal, dass du als Redakteur einer Musikzeitschrift erste Wahl wärst. In dem Gewerbe treiben sich dermaßen viele Underachiever rum. Vielen geht es offenbar auch nur darum, Handlanger der Musikindustrie zu sein. Die sind oft sowas wie Influencer mit dem Niveau einer Europalette Paniermehl …
    Jedenfalls ist dein Beitrag oben first class.
    Und 'Revolver' und nahezu alles von Jeff Lynne sowieso. Da lasse ich absolut nichts aus …
    Warten wir also auf Rubber Soul …
    Und dann frag ich mich noch, wieso ich das Voormann-Revolver-T-Stirt nicht kenne … und nicht auch habe … werde gleich mal fahnden …

    1. admin

      Das T-Shirt hat Klaus Voormann 2016 exklusiv für GoodTimes gestaltet.
      Gibt's aber noch in S, L und XL (M ist ausverkauft).
      https://goodtimes-magazin.de/products/goodtimes-t-shirt-beatles
      In S und XL gibt's auch noch eines nur mit Ringo.
      Kosten 25 € das Stück, produziert von Slazenger – gute Qualität!

      1. Eckehard Tebbe

        … gerade angekommen … müsste das 5. Beatles T-Shirt sein … wie verrückt kann man sein …

  2. admin

    Ich habe jetzt die angekündigten KI-Audio-Vergleiche ergänzt. Anhören lohnt sich!

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